Zehn Jahre Rechtschreibreform

Kinder, wie die Zeit vergeht! Vor genau zehn Jahren, am 1. August 1998, wird die neue Rechtschreibung offiziell an Schulen und Behörden eingeführt. Die alten Schreibweisen gelten als überholt, werden in der Schule aber noch nicht als Fehler gewertet. Es wird eine Übergangsfrist bis zum 31. Juli 2005 vereinbart.

Über das dann folgende mehrjährige Affentheater der Reformgegner werden künftige Generationen nur den Kopf schütteln. Genau wie bei der letzten vorangehenden Reform von 1901 probten die Unwissenden den Aufstand. Erstaunlich ist, dass sich auch viele Übersetzer daran beteiligten. Als Berufssprachler mit Einblick in die Schriftsysteme und Rechtschreibung anderer Sprachen müssten diese es eigentlich besser wissen.

Der grundlegende Unterschied zwischen Reformern und Reformgegnern besteht in der unterschiedlichen Bewertung von Schrift und Rechtschreibung im Verhältnis zur Sprache. Die Reformgegner räumen der Schrift einen Vorrang vor der gesprochenen Sprache ein. Viele verwechseln gar Schrift mit Sprache und meinen, das sei ein und dasselbe.

Dass diese Sichtweise auf einem grundlegenden Denkfehler beruht, belegt schon allein die Tatsache, dass die meisten der rund 6.000 existierenden Sprachen gar keine Schrift kennen. Die gesprochene Sprache ist somit das Wesentliche. Sie bedarf zu ihrer Existenz weder einer Schrift noch einer bestimmten Rechtschreibung.  Die Alphabete und deren Rechtschreibung sind lediglich ein Werkzeug zur Verschriftlichung von Sprache. Ein Werkzeug, das zumindest alle hundert Jahre wieder gerichtet und geschliffen werden sollte.

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