Bundesrat: Vorstoß zur Abschaffung der Künstlersozialkasse vorerst gescheitert

Der Deutsche Bundesrat hat am 19.09.2008 den Antrag seines Wirtschaftsausschusses abgelehnt, der vorsah, die Künstlersozialversicherung (KSK) zur Entlastung des Mittelstands abzuschaffen oder grundlegend zu reformieren.

Die ablehnende Entscheidung war erwartet worden, nachdem der Deutsche Kulturrat in den Tagen zuvor die Medien alarmiert hatte. Politiker aller Parteien beeilten sich daraufhin zu erklären, dass an den Meldungen über die Abschaffung der KSK nichts dran sei. „Der Vorschlag ist unverantwortlich und völlig abwegig. Das wird niemals kommen“, so der Bundesminister für Arbeit und Soziales, Olaf Scholz (SPD). Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) nannte die KSK „unverzichtbar“.

Dennoch wurde die Empfehlung zur Abschaffung bzw. Reformierung von gleich vier Bundesratsausschüssen schriftlich eingebracht. Der Bremer Bürgermeister Jens Böhrnsen versucht zu erklären, wie es dazu kam: „Durch ein bedauerliches Missverständnis auf Arbeitsebene ist dabei in einem solchen Gremium auch über die Abschaffung der Künstlersozialversicherung abgestimmt worden.“

Als Unterstützer des Vorstoßes gelten nach Angaben von Olaf Zimmermann, dem Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, die Länder Baden-Württemberg, Brandenburg, Bremen, Hessen, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein. Gegen eine Reform sollen sich Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Thüringen ausgesprochen haben. Bayern, Berlin und das Saarland enthielten sich dem Vernehmen nach bei der Abstimmung.

Die Bundesregierung hatte Anfang August ein Mittelstandsentlastungsgesetz beschlossen, durch das der Wirtschaft Bürokratiekosten von jährlich rund 76 Mio. Euro erspart werden sollen. Der Wirtschafts- und drei weitere Ausschüsse des Bundesrats hatten zu diesem Zweck weitere Maßnahmen vorgeschlagen. Unter anderem ging es dabei auch um die KSK. Diese müsse „unternehmerfreundlich reformiert“ oder ganz abgeschafft werden. Der bürokratische Aufwand für die Erhebung der Beiträge sei „unangemessen hoch“.

Die Vorgeschichte

Der Streit um die Finanzierung der KSK eskaliert seit März 2007. Damals hatte der Deutsche Bundestag das „3. Gesetz zur Änderung des Künstlersozialversicherungsgesetzes“ verabschiedet.

Seitdem versucht die KSK, die Zahl der Anspruchsberechtigten und damit ihre Ausgaben einzudämmen. Die Zahl der Versicherten hat sich seit Gründung der KSK im Jahr 1983 mehr als verzehnfacht – auf jetzt 160.000. Anträge auf Neuaufnahme werden nunmehr sehr restriktiv behandelt. Übersetzer haben praktisch nur noch dann eine Chance, sich über die KSK zu versichern, wenn sie tatsächlich überwiegend Bücher, in der Regel belletristische Literatur, übersetzen.

Gleichzeitig versucht die KSK, ihre Einnahmen zu erhöhen, indem die „Arbeitgeberbeiträge“ erstmals systematisch eingetrieben werden. Die kleine KSK mit ihren 180 Mitarbeitern kann diese Arbeit nicht leisten. Deshalb wurden die 3.600 Prüfer der Deutschen Rentenversicherung mit dieser Aufgabe betraut.

Und die leisten ganze Arbeit: In eineinhalb Jahren wurden bereits 280.000 Betriebe aufgefordert, auf fünf Jahre rückwirkend zu ermitteln, ob sie Beiträge zu entrichten haben. Dadurch konnten bereits 13 Mio. Euro zusätzlich an die KSK abgeführt werden.

Die meisten Unternehmen erfahren dadurch zum ersten Mal von der Existenz der KSK. Die von den Unternehmen durchzuführende rückwirkende Prüfung, ob in den vergangenen fünf Jahren Künstler oder Publizisten beauftragt wurden, stellt eine enorme bürokratische, zeitliche und finanzielle Belastung dar, da alle Rechnungen der letzten fünf Jahre unter die Lupe genommen werden müssen. Anschließend ist auf die Honorare der Künstler eine zusätzliche Abgabe in Höhe von rund 5 Prozent des Honorars an die KSK zu zahlen. Ausgaben, mit denen kein Unternehmen gerechnet hat.

Betroffen ist fast jedes Unternehmen. Denn nicht nur bildende Künstler und Musiker zählen zu den freiberuflichen Künstlern, sondern auch Webdesigner, Journalisten, Fotografen und Werbetexter. Überaus stark belastet sind dadurch Unternehmen, die praktisch ausschließlich freie Künstler beauftragen, wie etwa Konzertveranstalter.

Für die Zahlungspflicht der Künstlersozialabgabe ist es völlig unerheblich, ob der beauftragte Künstler Mitglied in der KSK ist. Die meisten sind es nicht. Die Unternehmen müssen die Abgabe selbst dann entrichten, wenn die beauftragten Künstler von der KSK zuvor abgelehnt wurden oder diese überhaupt nicht in Deutschland leben.

Es ist kaum vorstellbar, dass die gegenwärtige Praxis der Erhebung der Künstlersozialabgabe auf Dauer Bestand haben wird. Denn die Zahl der von der Beitragseintreibung bedrängten Unternehmen ist weit größer als die Zahl der in der KSK versicherten Künstler, die Macht der Unternehmen als Steuerzahler und Arbeitgeber weit größer als die Macht der 160.000 versicherten Künstler. Alle Verbände der Wirtschaft setzen sich seit 2007 vehement für eine Reform ein. Die Tatsache, dass die Angelegenheit unbemerkt von den betroffenen Künstlern im Bundesrat zur Abstimmung gebracht werden konnte, zeigt, wie gut die Beziehungen der Wirtschaftsverbände zur Politik sind.

Da im September 2009 Bundestagswahlen sind und der Wahlkampf bereits eingeläutet wurde, liegen alle Reformen bis dahin auf Eis. Die danach wahrscheinlich regierende CDU-FDP-Koalition dürfte den Forderungen der Wirtschaft nach einer grundlegenden Neugestaltung wohlwollend gegenüberstehen.

Ein Link zum Thema: www.kskontra.de. Ebenfalls lesenswert: Der Artikel „Künstlersozialkasse, gut gedacht, schlecht gemacht“ auf Musiker-Online.de.

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