Boxer durch Übersetzungsfehler unschuldig im Gefängnis?

Ein Berufsboxer aus Hamburg hat nach Presseberichten möglicherweise mehrere Monate unschuldig in Untersuchungshaft gesessen. Der 25-jährige Mann war inhaftiert worden, weil ein Polizeidolmetscher die Aufzeichnung eines Telefongesprächs übersetzt und darin verdächtige Hinweise entdeckt hatte. Zwei andere Dolmetscher konnten dies jedoch nicht bestätigen.

Es war schwierig, das abgehörte Telefonat zu verstehen, weil es von einem Auto aus geführt wurde, das über Kopfsteinpflaster fuhr. Wegen der starken Hintergrundgeräusche hatte der Polizeidolmetscher bereits etliche Passagen als „unverständlich“ kennzeichnen müssen. Das in diesem Fall entscheidende Stichwort „Afghane“ (der Boxer ist gebürtiger Afghane) wollte er aber vernommen haben. Die beiden anderen Dolmetscher vermochten das Wort hingegen nicht herauszuhören.

Die Polizei verteidigte ihren Sprachmittler: „Wir haben weder Zweifel an der Qualität unseres Dolmetschers noch an der Richtigkeit seiner Aussage.“ Man habe lediglich nicht nachweisen können, dass der Festgenommene der Drahtzieher des Handels war.

Der Mann war verdächtigt worden, gemeinsam mit vier Komplizen Kokain vertrieben zu haben. Drei davon sind inzwischen rechtskräftig verurteilt. Es besteht also kein Zweifel daran, dass sich der Berufsboxer unter Drogenhändlern bewegt.

Da aber nur einer von drei Dolmetschern das entscheidende Stichwort verstanden hatte, musste das Gericht davon ausgehen, dass dieser sich verhört hatte. Es konnte den Haftbefehl nicht länger aufrechterhalten und hob ihn auf. Jetzt hat der Mann Anspruch auf eine Entschädigung von 11 Euro pro Hafttag.

[Quelle: Welt, 2008-10-11.]