Übersetzungen: Erwartungen und Realität

Ab und zu kommt es vor, dass eine Übersetzung bemängelt wird. Ein sprachkundiger Mitarbeiter des Auftraggebers oder seine Auslandsniederlassung hat die Übersetzung gelesen und beanstandet. Dieser Artikel befasst sich nicht mit echten Übersetzungsfehlern, sondern mit den manchmal falschen Erwartungen an eine Fachübersetzung.

Welche Vorwürfe werden geäußert?

  • Der Stil wäre schlecht.
  • Der Übersetzer hätte die korrekten Fachwörter oder Fachausdrücke nicht verwendet.
  • Der Übersetzer hätte den Inhalt falsch verstanden.

Wie über Geschmäcker kann man sich über Stil immer streiten. Einige objektive Regeln gelten jedoch: grammatisch korrekte Sätze, ein den Gepflogenheiten der Zielsprache angepasster Satzbau, eine für die Zielgruppe angemessene Wortwahl. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist es die Aufgabe des Übersetzers, einen Text, der zunächst für deutsche Leser formuliert wurde, für einen anderen Leserkreis inhaltlich korrekt zu übertragen. Dieser Kreis hat einen unterschiedlichen gesellschaftlichen und kulturellen Hintergrund.

Es kann in diesem Zusammenhang vorkommen, dass ein Beispiel, eine Referenz oder ein Ausdruck auf diese Leserschaft befremdend wirkt. Man denke dabei an Beispiele aus der Baseball- Welt oder an die unterschiedliche Dicke von Serviceanleitungen in Deutschland und in den USA. Wer also mehr erwartet als eine rein sachlich und sprachlich korrekte Übersetzung, braucht eine Adaptation des übersetzten Textes für die fremdsprachige Leserschaft. Als Basis für eine redaktionelle Überarbeitung dient dann die Übersetzung. Besonders für Werbetexte, Prospekte oder Websites ist dieser Schritt empfehlenswert.

Fachterminologie

Der nächste Kritikpunkt bezieht sich auf die Fachterminologie. Jeder kann für sich den Test machen und Benennungen für Teile eines Geräts oder einer Maschine suchen, die er in seiner Nähe findet. Was ist korrekt: „Taste“, „Taster“, „Schalter“, „Button“ oder „Knopf“? Was für die deutsche Sprache gilt, gilt genauso für die Zielsprache. Viel öfter als man denkt, gibt es auch in der Fachsprache des Ziellandes unterschiedliche Synonyme. Der Übersetzer nimmt nicht immer das am weitesten verbreitete Wort, denn er kann nicht in jedem Einzelfall im Internet recherchieren,um festzustellen, wie häufig sein Ausdruck erscheint. Bei neuen Wortschöpfungen, die zum Firmenjargon gehören und sich auf spezielle Produkte des Unternehmens beziehen, tut sich der Übersetzer ohne Hilfe schwer, die richtige Formulierung in seiner Sprache zu finden. Wer weiß schon auf Anhieb, wie man „Hochleistungsdeckelverschließer“ oder „Geschäftsbereichsmodifikationskonstante“ korrekt ins Slowenische übersetzt?

Konsistenz

Manchmal wird auch kritisiert, dass der Übersetzer die Terminologie uneinheitlich verwendet hätte. Dasselbe deutsche Fachwort wäre mal so, mal so übersetzt worden. Terminologiekonsistenz ist bei Fachtexten natürlich ein erstrebenswertes Ziel. Aber Sprachen haben nicht immer deckungsgleiche Begriffsysteme, und ein deutscher Begriff muss u. U. in der Fremdsprache je nach Zusammenhang durch unterschiedliche Benennungen übersetzt werden, wenn die Fremdsprache eine feinere begriffliche Gliederung kennt. Dasselbe gilt natürlich in umgekehrter Richtung. So lautet die Übersetzung von „Schneider“ je nach Kontext mal „cutter“ (mechanisches Verfahren) mal „beamer“ (Laserverfahren). Wer also bestimmte terminologische Erwartungen an die Übersetzung hat, muss sie in Form von Terminologievorgaben klar formulieren.
Manche Lektoren im Ausland stellen vermeintliche Verständnisfehler (echte Verständnisfehler klammern wir hier aus) fest, weil sie eine Übersetzung prüfen, ohne den deutschen Ausgangstext heranzuziehen.

Manche verstehen die deutsche Sprache nicht und prüfen lediglich, ob die vorliegende fremdsprachige Version für ihren Markt brauchbar ist. Es kommt dabei durchaus vor, dass die Korrekturen nicht so sehr die Übersetzung, sondern eher indirekt den Ausgangstext betreffen. Diese Korrektoren ändern und korrigieren Inhalte und melden sie fälschlicherweise als Korrektur von Übersetzungsfehlern.

Es ist also wichtig, dass Auftraggeber sich über die Rahmenbedingungen für die Arbeit des Übersetzers im Klaren sind und realistische Erwartungen an eine Übersetzung haben. Durch eine konstruktive Zusammenarbeit mit den Übersetzern können sie das Ergebnis beeinflussen. Sie können Terminologievorgaben machen, Referenzmaterial in angemessenem Umfang zur Verfügung stellen, firmenspezifische Begriffe erläutern (z. B. mit Grafiken) und Anweisungen zum Stil geben. Zum Schluss kommt es dem Endprodukt zugute.

[Text: D.O.G. GmbH. Quelle: D.O.G. news 3/2009; Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung von Dr. François Massion.]

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