Mord an Ärzteteam in Afghanistan: Chemnitzer Dolmetscherin unter den Opfern

Bei dem Massaker an zehn Mitarbeitern des augenärztlichen Hilfswerks „International Assistance Mission“ (IAM) in der abgelegenen afghanischen Bergprovinz Nuristan ist auch eine Deutsche ums Leben gekommen: Daniela B. (35), die dem Ärzteteam als Dolmetscherin diente. Der stern schreibt:

Die einzige Deutsche im Team war keine Ärztin – sondern Sprachwissenschaftlerin: Daniela B., geboren 1975 in Chemnitz. Sie hatte nach dem Abitur Sprachwissenschaft an der Universität Leipzig studiert, Englisch und Russisch, zusätzlich einen Abschluss als Deutschlehrerin für Ausländer gemacht.

Vier Jahre war sie an der Universität Gloucesterhire in Südengland eingeschrieben, arbeitete als freiberufliche Übersetzerin und kam 2007 nach Afghanistan für die „International Assistance Mission“. Das Land hatte es ihr angetan. In Kabul lernte sie ein knappes halbes Jahr lang Dari, eine der beiden Landessprachen. Amir Mohammed, ihr Lehrer von damals, erinnert sich noch heute an die stille Deutsche mit den blauen Augen: „Als Studentin war sie exzellent, sehr fleißig, hat wahnsinnig schnell gelernt. Sie hat mir immer gesagt: ‚Ich will mit den Menschen reden, will wissen, was die fühlen, denken, sie verstehen!‘ Sie wollte alles wissen über Kultur, Sitten, und die Geschichte Afghanistans. […]“

Für ein Jahr ging sie dann nach Faisabad zum „Language Research Program“ von IAM in der Nordostprovinz Badakhschan. Ziel ihres Projektes war es, „für die örtlichen Sprachen in den isolierten Bergregionen eine Schriftvariante zu entwickeln, so dass Menschen dort in ihrer eigenen Sprache lesen und schreiben lernen können“, wie ein ehemaliger Kollege sagt. Daniela B. sprach fließend Dari, leidlich Vahi und Mandschi, zwei lokale Sprachen, und war dabei, weitere zu lernen.

Vor einem Jahr verließ sie IAM, um zusammen mit anderen eine neue Nichtregierungsorganisation (NGO) namens „Samar“ aufzubauen, die sich vor allem mit der Erforschung und Rettung der lokalen Sprachen beschäftigen wollte. Den Kontakt zu den alten IAM-Kollegen hatte Daniela B. nie abreißen lassen. Als Karen Woo, die britische Ärztin, die vor allem Frauen behandelte, sich auf das „Eye Camp“ vorbereitete, brauchte sie eine Frau zum Übersetzen. Daniela B., fließend in Englisch und Dari, war die perfekte Kandidatin. Sie willigte ein mitzukommen. Auf ihre letzte Reise.

[Text: Richard Schneider. Quelle: Stern, 2010-08-08.]