„Die Unvermeidlichen“ – Theaterstück über Simultandolmetscher hat in Mannheim Premiere

Kathrin Röggla hat den Arbeitsalltag von Politikern, das bedeutet also Konferenzen, zum Thema ihres Stücks „Die Unvermeidlichen“ gemacht. Allerdings sind nicht die Politiker die Protagonisten, sondern die Simultandolmetscher bei einer Konferenz. Ohne sie, deren Arbeitsplatz schalldichte Kabinen und deren Arbeitswerkzeug Mikrofon und Kopfhörer sind, wären internationale Konferenzen undenkbar. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um die Klimakonferenz, Sicherheitskonferenz, Finanzkrisenkonferenz, Atomendlagerkonferenz oder Defizitkonferenz handelt.

Ohne Dolmetscher würde ein akuter Verständigungsnotstand entstehen. Wenn in vielen Sprachen gesprochen und das Gesprochene verstanden werden und das Verstandene zu einem Konsens und der Konsens zu einem Ergebnis führen soll, dann kommt man an Dolmetschern nicht vorbei.

Dolmetscher gehören zum Politsystem, gelten aber gleichzeitig als Symbol der Politikverdrossenheit, denn sie müssen reden, reden und reden, sind aber dennoch sprachlos. Oftmals reden sie, ohne zu wissen, was sie eigentlich sagen.

Röggla hat viele Konferenzen besucht und mit zahlreichen Dolmetschern Gespräche geführt, um sich ein Bild verschaffen zu können und um anschließend ein Theaterstück schreiben zu können. Die Simultandolmetscher der 39-jährige Salzburgerin sind regelrechte Maschinen, die nicht ins Stottern geraten dürfen. Auf dem Heimweg nach einer Konferenz übersetzen sie Straßenschilder und Werbeplakate, weil sie niemand abschaltet.

Die Floskeln der Politiker, die sie während ihrer Arbeit simultan aus einer Sprache in die andere Sprache dolmetschen müssen, hört man auch noch nach Feierabend aus ihren Maschinen-Mündern: „Wir müssen an den Staatshaushalt denken.“, „Wir müssen an den Handel denken.“ oder „Wir müssen ans Außenhandelsdefizit denken.“ In den Flurgesprächen der Simultandolmetscher zeigt sich die Welt der Großen im Kleinen: Die Welt der Franzosen, der Engländer, der einzelkämpferischen und integrativen Russen und unterschätzten Chinesen.

Am 6. Februar 2011 wird das Stück durch Regisseur Marcus Lobbes im Nationaltheater Mannheim uraufgeführt. In Auftrag gegeben wurde das Stück von der BHF-Bank-Stiftung aus Anlass der Frankfurter Positionen 2011, die vom 21.01. bis 09.02.2011 im Schauspiel Frankfurt sowie im neu gegründeten Frankfurt LAB stattfinden. Im Jahr 2001 wurden die Frankfurter Positionen erstmals veranstaltet.

Angesichts des sich kontinuierlich vollziehenden gesellschaftlichen Wandels und der Veränderungen in der Lebenswelt bieten die Frankfurter Positionen nun etwa jedes zweite Jahr mit begleitenden analytischen Statements eine Positionsbestimmung und fördern somit die Entwicklung neuer Sichtweisen und sozialer Phantasie. Das Thema des Jahres 2011 lautet „Gemeinsam im Niemandsland“, Gegenstand ist das Spannungsfeld zwischen Individuum und Gemeinschaft.

Jessica Antosik
Quelle: www.nationaltheater-mannheim.de; www.frankfurterpositionen.de; www.spiegel.de