Kein hauptberuflicher Spanier: Javier Marías

Javier Marías ist ein spanischer Schriftsteller, Essayist und Übersetzer. Am 20. September 1951 wurde er in Madrid geboren. Zeitweise verbrachte er seine Kindheit in den Vereinigten Staaten von Amerika. Im Alter von elf Jahren begann er zu schreiben. Von 1968 bis 1973 studierte an der Universidad Complutense de Madrid Literaturwissenschaft und Philosophie. Sein erstes Geld verdiente er mit Übersetzungen und Kurzauftritten in Filmen. Ab 1974 lebte er in Barcelona und arbeitete für das Verlagshaus Alfaguara. Der Roman Corazón tan blanco (dt. Mein Herz so weiß) aus dem Jahre 1992 wurde in zahlreiche Sprachen übertragen und zu einem Welterfolg. Zu seinen bekanntesten Romanen gehören des Weiteren Mañana en la batalla piensa en mí (dt. Morgen in der Schlacht denk an mich) und die Trilogie Tu rostro mañana (dt. Dein Gesicht morgen). Am 30. Juli 2011 wurde Marías mit dem Österreichen Staatspreis für Europäische Literatur in Salzburg ausgezeichnet. Die Jury lobte „ein erzählerisches Werk von wahrhaft europäischer Dimension“.

In einem Interview mit der österreichen Zeitung Der Standard antwortete Javier Marías auf die Frage, ob das Übersetzen sein Schreiben beeinflusst hat, wie folgt:

Ja, ich denke, Übersetzen ist eine gute Schule für jemanden, der schreibt. Natürlich hängt es davon ab, was man übersetzt – Schund wird nicht sehr hilfreich sein. Übersetzungen sind ja eigentlich ein Mysterium: Das Original des Buches ist unveränderbar, auch wenn es auf viele Weisen übersetzt werden kann. Wie in der Musik: Die Partitur bleibt gleich. Und doch ist es ein Unterschied, ob Glenn Gould oder Vladimir Horowitz das Musikstück interpretieren. In der Übersetzung verliert man jedes Wort des Originals. Dafür gewinnt man etwas, das etwas völlig anderes und doch dasselbe ist. Wenn ich die Möglichkeit hätte, Dickens meine Übersetzung seines Romans zu geben, würde er seinen eigenen Text bis auf einige Namen nicht wiedererkennen. Es wären Worte, die er nicht verstünde. Und doch wäre es das, was er geschrieben hat.

In Bezug auf Sprache äußerte er sich folgendermaßen:

Sie ist Vehikel. Ein Tool. Wichtig für einen Schriftsteller, aber nicht das Wichtigste. Es ist ja eher Zufall, in welcher Sprache man schreibt. Wirklich wichtig ist, was man zu sagen hat, egal in welcher Sprache.

Auf die letzte Frage „Verstehen Sie sich als spanischer oder europäischer Schriftsteller?“ gab Marías folgende Antwort:

Ich schreibe auf Spanisch und lebe die meiste Zeit in Spanien. Zugleich fühle ich mich als europäischer Schriftsteller. Jedenfalls bin ich kein hauptberuflicher Spanier.

[Text: Jessica Antosik. Quelle: derstandard.at, 31.07.2011; diepresse.com, 09.03.2011. Bild: Miguel A. Monjas (Wikipedia).]