60 Jahre Micky-Maus-Übersetzungen: Wie Erika Fuchs eine eigene Sprache für die Mäusewelt schuf

Erika Fuchs
Dr. Erika Fuchs

Eigentlich ist es noch gar nicht allzu lange her, da wurde das Micky-Maus-Heft von Oberlehrern und Dichterfürsten gerne als Beweis für das „Verkommen“ der deutschen Sprache ins Feld geführt. Oft von denselben Leuten, die nur wenige Jahre später „Mickys deutsche Stimme“, die Übersetzerlegende Dr. Erika Fuchs, für ihre stets stilbewussten, des Öfteren sogar Klassiker der Literatur zitierenden Comic-Texte und ihre sprachliche Kreativität in den Himmel lobten.

Chefredakteurin von 1951 bis 1988

Erika Fuchs (1906-2005) war von den Anfängen 1951 bis ins Jahr 1988 Chefredakteurin des Micky-Maus-Heftes. Nicht nur zahllose längst ins Allgemeingut eingegangene Sprüche aus ihren vielen Disney-Übersetzungen wie „Dem Ingeniör ist nichts zu schwör“ machten sie berühmt. Stilprägend war vor allem auch ihr den US-amerikanischen Soundword-Gepflogenheiten entlehnter „Erikativ“, mit dem sie Micky und seinen Mit-Entenhausenern auf den Wortstamm reduzierte Verben als Geräusche in die Münder legte. So wurde aus dem Verb „bibbern“ das aktive „Bibber!“ oder aus „ächzen“ ein „Ächz!“.

Trotz aller Anfeindungen aus dem Bildungsbürgertum: Die Sprache der Comics aus dem Egmont Ehapa Verlag, allen voran die „Micky Maus“ und das „Lustige Taschenbuch“, war stets modern und nahe am tatsächlichen Alltags-Sprech der jeweiligen Lesergenerationen, ohne sich dabei allerdings zu sehr dem Zeitgeist anzubiedern oder gar offensiv Sprachpanscherei zu betreiben.

„Man kann gar nicht gebildet genug sein, um Comics zu übersetzen“

Die deutschen Redakteure fordern von ihren Textern bis heute nachdrücklich sprachliche Disziplin und grammatisches Stilbewusstsein ein und sind sich ihrer Mitverantwortung für die sprachliche Entwicklung ihrer vielfach jungen Leser wohl bewusst. Gossensprache oder Sprüche unter der Gürtellinie sind in Mickys Comics ebenso grundsätzlich tabu wie auch zum Beispiel religiöse Anspielungen.

Das stellt an die Übersetzer und Texter natürlich hohe Ansprüche. Von Erika Fuchs ist das Zitat überliefert: „Man kann gar nicht gebildet genug sein, um Comics zu übersetzen.“

Dagobert, Donald, Goofy

Wo die Maus haust: Duckburg und Mouston fusionierten zu Entenhausen

Die Eindeutschung der Entenwelt enthält übrigens einen Lokalisierungsfehler. International leben Disneys Enten und Mäuse meist in verschiedenen Städten (die sich aber auffällig ähneln). Im US-Original wird zwischen Duckburg und Mouston unterschieden, in Italien nach Paperopolis und Topolinia.

Offenbar entschied man in der Frühzeit deutscher Disney-Übersetzungen aber, das wäre für hiesige Verhältnisse zu kompliziert und reduzierte das Lebensumfeld von Micky Maus und Donald Duck auf das gemeinsame Entenhausen. Mickys Fans und Lesern dürfte trotzdem auffallen, dass in Maus-Comics Entenhausener Wahrzeichen wie die Emil-Erpel-Statue oder Dagobert Ducks Geldspeicher nur höchst selten zu sehen sind. Der in Deutschland gebräuchliche Stadtname Entenhausen stammt übrigens von Erika Fuchs.

Duck-Künstler-Mythos Carl Barks war es, der für die amerikanischen Disney-Comics spezifiziert hat, wo sein Duckburg eigentlich liegt. Er verortete die Stadt an der Gumpe dereinst im fiktiven US-Bundesstaat „Calisota“, die meisten Disney-Historiker setzen das annähernd mit Kalifornien gleich. Don Rosa siedelt Entenhausen in etwa im Norden dieses US-Staates an. Mal wird die Stadt Burbank, mal die Stadt Eureka als Entenhausens Entsprechung in der „realen“ Welt genannt.

In deutschen Übersetzungen von Entenhausen-Comics spielt die exakte Verortung traditionell aber keine Rolle. Nach deutscher Auffassung gibt es keine eigene Mausestadt. Zudem liegt das von Enten und Mäusen gemeinsam bewohnte Entenhausen auch in einer Art Comic-Niemandsland. Es lässt sich nicht klar verorten und liegt deshalb irgendwie bei jedem Leser in der Nähe.

Entenhausen liegt definitiv nicht in den USA

Amerikanische Ortsnamen und Anspielungen wurden und werden entsprechend normalerweise nicht übernommen, in den USA liegt Entenhausen für deutsche Micky Maus-Leser (und -Texter) definitiv nicht. Anders als zum Beispiel in den italienischen Disney-Comics, die ihre Mäuse- und Enten-Metropolen oft sehr eindeutig nach Amerika verlegen. In seinen deutschsprachigen Abenteuern lebt Micky Maus in Entenhausen. In anderen Ländern sind Maus- und Entenstädte getrennt. Warum ist das bei uns anders?

Marco Andric, Redakteur des „Micky Maus-Magazins“, hat darauf eine klare Antwort: „Weil unsere Entenhausener Integrationspolitik erfolgreich und vorbildlich ist.“ Für Chefredakteur Peter Höpfner steht fest: „Entenhausen ist ganz nah. Nur einen Katzen-, pardon, Mäusesprung im Kopf entfernt.“

[Text: Egmont Ehapa Verlag. Bild: Egmont Ehapa Verlag, Disney, www.ehapa.de.]