Videodokumentation: Daakaka – eine Sprache stirbt aus

Daakaka wird nur noch von rund 600 Bewohnern des Inselstaates Vanuatu im Südpazifik gesprochen. Wissenschaftler vom Berliner Zentrum für allgemeine Sprachwissenschaft (ZAS) versuchen, die vom Aussterben bedrohte Sprache zu dokumentieren und suchen nach Möglichkeiten, sie zu bewahren. Das ZAS ist ein außeruniversitäres Forschungsinstitut des Landes Berlin, das auf das Zentralinstitut für Sprachwissenschaft (ZISW) an der Akademie der Wissenschaften der DDR zurückgeht.

Die Forscher um die Anthropologin Soraya Hosni und die Linguistin Kilu von Prince haben ihre Bemühungen in einem Videotagebuch festgehalten, dessen zehn Kapitel Überschriften tragen wie „Bedrohter Sprachschatz“, „Weibliche Sprachgenies“, „Tor zur Welt der Buchstaben“, „Ein Wörterbuch für Daakie“.

Auf der Website der VolkswagenStiftung, die die Unternehmung gefördert hat, wird das Projekt wie folgt beschrieben:

Mit dem DoBeS-Programm unterstützt die VolkswagenStiftung seit über zehn Jahren weltweit Forscherinnen und Forscher unterschiedlicher Disziplinen bei der Dokumentation bedrohter Sprachen und bei der Entwicklung von Empfehlungen für Sprachdokumentation und Archivierung. Die Sprachen werden mit Tonband, Videokamera, Fotoapparat und Notizblock aufgezeichnet und in einem eigens dafür eingerichteten elektronischen Archiv am Max Planck Institute für Psycholinguistik in Nijmegen aufbewahrt. Im DoBeS-Projektverbund wird auch das Dokumentationsteam um Professor Dr. Manfred Krifka vom Zentrum für Allgemeine Sprachwissenschaft in Berlin und der Humboldt-Universität (HU) zu Berlin gefördert.

Die Heimat des Daakaka

Ambrym ist die fünftgrößte Insel des südpazifischen Staates Vanuatu. Etwa 7.000 bis 10.000 Menschen leben auf der knapp 680 Quadratkilometer großen Insel. Geologisch gesehen ist Ambrym ein riesiger Vulkankegel. Im unbewohnten Inneren der Insel liegen zwei aktive Vulkankrater in einer großen, aufgrund der schwefelhaltigen Niederschläge fast vegetationsfreien Caldera (Vulkankessel). Daher lebt die Bevölkerung hauptsächlich an den fruchtbaren Küsten im Norden, Südosten und Südwesten. Untereinander haben diese Regionen nur wenig Kontakt.

Mindestens drei unterschiedliche Sprachen identifizierten die Forscher alleine im abgeschiedenen Südwesten der Insel. Eine davon ist Daakaka, das von weniger als 1.000 der insgesamt rund 3.000 hier lebenden Menschen gesprochen wird. Die Sprachen Südwest-Ambryms sind besonders gefährdet: Die aktiven Vulkane und der saure Regen drohen die Bevölkerung zu vertreiben. Und seit das Mobiltelefon die Insel erreicht hat, setzt sich Bislama, die auf dem Englischen basierende Verkehrssprache Vanuatus, immer stärker durch und verdrängt die lokalen Sprachen.

Daakaka bewahren

Soraya Hosni und ihre Kollegen wollen die Verwendung der Sprachen in vielfältiger Weise dokumentieren. Mit Mikrofon und Kamera nehmen die Forscher zum Beispiel Geschichtenerzähler auf, dokumentieren Sandzeichnungen, Lieder und Spiele oder Gerichtsverhandlungen und enträtseln die Begrifflichkeiten des komplexen Verwandtschaftssystems. Mit Hilfe der Einheimischen werden die Aufzeichnungen sorgfältig übersetzt und analysiert. Mit diesem Material wollen die Wissenschaftler später mehrsprachige, möglichst umfassende Wörterbücher und kleinere Schulbücher in den bedrohten Sprachen produzieren, die sie den Einheimischen zur Verfügung stellen.

Die Zahl der Sprachen nimmt seit Jahrtausenden mit rapide zunehmender Geschwindigkeit ab. Um das Jahr 10.000 v. Chr. gab es rund 20.000 Sprachen, im 15. Jahrhundert n. Chr. waren es rund 7.500, heute sind es ca. 6.000. Es gibt Wissenschaftler, die davon ausgehen, dass um das Jahr 2200 herum nur noch hundert verschiedene Sprachen existieren werden.

Das „Videotagebuch der Wissenschaft“ zur Erfassung der aussterbenden Sprache Daakaka können Sie unter anderem auf der Website sciencemovies.de und bei stern.de aufrufen.

[Text: Richard Schneider. Quelle: Stern, 2012-01-29.]