Ljubomir Iliev und Leopold Federmair mit österreichischem Staatspreis Translatio ausgezeichnet

Die Translatio, der österreichische Staatspreis für literarische Übersetzung, geht in diesem Jahr an den österreichischen Übersetzer Leopold Federmair und Ljubomir Iliev aus Bulgarien. Der Preis wurde am 1. Juli 2012, traditionell am Sonntag vor den Tagen der deutschsprachigen Literatur, im Musil-Institut der Universität Klagenfurt verliehen.

Der Staatspreis wird seit dem Jahr 1985 jährlich von der Sektion Literatur des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur für hervorragende Leistungen auf dem Gebiet der literarischen Übersetzung in zwei Kategorien vergeben und ist mit 8.000 Euro dotiert. Ausgezeichnet wird die Übersetzung zeitgenössischer österreichischer belletristischer Literatur (vor allem Werke lebender Autoren) in eine Fremdsprache und die Übersetzung eines fremdsprachigen Werks der zeitgenössischen Literatur in die deutsche Sprache. Die Preisträger werden von einer unabhängigen Jury nominiert.

Leopold Federmair

Die Fachjury entschied sich für Leopold Federmair, „weil er seit zwei Jahrzehnten Übersetzungen aus dem Französischen, Spanischen und Italienischen gestaltet, die, in kritischer Nähe und Distanz zu gängigen Strategien, dem deutschsprachigen Leser Kultur und Lebenswelt der Ausgangstexte so nahe bringen, dass sich ihm die Erfahrung des Lesers des Originals weitestgehend erschließt“.  Vor allem betonte die Jury, dass Federmairs Stil einer „teilnehmenden“ Übersetzung sich an Autoren unterschiedlicher Generationen und Stilrichtungen bewährt, darunter der Mexikaner José Emilio Pacheco, die Franzosen Michel Houellebecq, Michel Deguy und Francis Ponge, der Italiener Leonardo Sciascia sowie die Argentinier Ricardo Piglia und Rodolfo Walsh.

Federmair ist am 25. August 1957 in Wels/Oberösterreich geboren. Von 1975 bis 1985 studierte er Publizistik, Germanistik und Geschichte an der Universität Salzburg. 1985 promovierte er mit einer Arbeit über Johann Christian Günther zum Doktor der Philosophie. Seit 2006 lebt Leopold Federmair mit seiner Familie in Hiroshima (Japan) und lehrt dort an der Universität. Er ist Schriftsteller und Literaturübersetzer. In jedem Land in dem er lebte, wollte er in „möglichst engen Kontakt“ zur Sprache dieser Länder, berichtete Federmair: „Ich arbeite, übersetze, aus dem Nicht-Verstehen heraus und muss mir das Verstehen langsam aneignen.“

Ljubomir Iliev

Der bulgarische Übersetzer Ljubomir Iliev wurde mit dem österreichischen Staatspreis insbesondere für die Übersetzungen von Robert Musils Mann ohne Eigenschaften (Sofia 2009) und Hermann Brochs Tod des Vergil (1985, Neuausgabe Sofia 2010) ausgezeichnet. „Iliev erfüllt die translatorischen Herausforderungen beider Autoren auf brillante Weise: die lyrischen Traumvisionen in Brochs Vergil überträgt er ebenso meisterhaft ins Bulgarische wie die realistischen Schilderungen Brochs oder die philosophischen Essays in Musils Mann ohne Eigenschaften; die kongenialen Übersetzungen werden zu Recht als ‚bulgarischer Musil‘ und als ‚bulgarischer Broch‘ bezeichnet“, erklärte die Jury.

Iliev ist im Jahre 1949 in Sofia (Bulgarien) geboren und studierte Germanistik. Er war als Universitätsassistent (1975 – 1979) sowie Redakteur, stellvertretender Chefredakteur und Chefredakteur (1980 – 1991) der für fremdsprachige Literatur spezialisierten Zeitschrift Panorama tätig. 1976 widmete er sich der Übersetzung deutschsprachiger Literatur ins Bulgarische. Lubomir Iliev übertrug u. a. Josef von Eichendorffs Aus dem Leben eines Taugenichts, Novalis‘ Heinrich von Ofterdingen, Johann Wolfgang Goethes Faust I – II, Bernhard Schlinks Der Vorleser sowie sämtliche Dramen von Friedrich Schiller in die bulgarische Sprache. Unter der kommunistischen Vorherrschaft durfte man nur Texte schreiben, die dem „sozialistischen Realismus“ entsprachen, so Iliev: „Ich wollte keine kastrierten Texte schreiben, deswegen verschrieb ich mich der Übersetzung.“

Claudia Schmied, Ministerin für Unterricht, Kunst und Kultur, hob anlässlich der Bekanntgabe der Preisträger die Bedeutung ihrer Arbeit hervor: „Hochwertige Übersetzungen sind von zentraler Bedeutung, wenn es um die Vermittlung von Literatur geht. Authentisch verfasste Sprache ist der Schlüssel dazu, literarische Texte im Sinne des Verfassers zu lesen und im relevanten Zusammenhang einordnen zu können. Die literarische Übersetzung ist eine hohe Kunst, die viel zum gegenseitigen Respekt, Interesse und Verständnis an der Vielfalt und Unterschiedlichkeit anderer Kulturen beizutragen vermag.“

Zur Entscheidung der Fachjury meint Schmied: „Die Auszeichnungen für Übersetzungen von bedeutenden Autoren aus dem romanischen Sprachraum und von zwei zentralen Werken der österreichischen Literatur, die zu den komplexesten Romanen der Weltliteratur zählen, in eine südosteuropäische Sprache, sind ein deutliches Zeichen für den hohen Stellenwert, den die Arbeit der literarischen ÜbersetzerInnen im österreichischen und internationalen Literaturbetrieb genießt.“

[Text: Jessica Antosik. Quelle: bachmannpreis.eu; kaernten.orf.at, 02.07.2012; bmukk.gv.at, 28.12.2011.]