Spanisch im Aufschwung, Hispanistik unter Druck

Sowohl die Anzahl der Spanisch-Sprecher als auch die Bedeutung der spanischen Sprache nimmt zu. Es mangelt jedoch an Lehrern. „Das Fach Spanisch ist völlig überlaufen“, so Desirée Cremer, Dozentin für Synchrone Sprachwissenschaft an der Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Auch Óscar Loureda, Professor für Übersetzungswissenschaft von der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, sagt, dass die Bereitschaft in Deutschland, in der Schule, Universität oder Volkshochschule (VHS) Spanisch zu erlernen, deutlich angestiegen sei. Nach Englisch sei Spanisch die in der VHS am meisten gewählte Fremdsprache.

Laut Loureda gibt es weltweit rund 515 Millionen Spanisch-Sprecher, wovon 431 Millionen Muttersprachler sind. In den Vereinigten Staaten von Amerika sei die Zahl der Spanisch-Sprecher innerhalb der vergangenen zwölf Jahren von 35 Mio. auf 50 Mio. gestiegen. Demzufolge ist Spanisch nach Chinesisch, Hindi, Urdu und Englisch die auf der Welt am häufigsten gesprochene Sprache. In Deutschland beherrschen 178.000 Menschen Spanisch als Muttersprache.

Hierzulande wird Spanisch in der Regel als zweite oder dritte Fremdsprache nach Englisch, Französisch oder Latein gewählt. Zwar steigt die Nachfrage nach Spanischunterricht, allerdings sind die Versuche, Spanisch aufzuwerten, etwa indem es in der Grundschule als Fremdsprache eingeführt wird, gescheitert. Der Grund: Kein Geld, keine Lehrer.

Traditionell steht das Studium der spanischen Sprache im Schatten der französischen. „Es gibt eine Konkurrenz zwischen dem Französischen und dem Spanischen als Schulsprache“, erklärt Andrea Rössler, Professorin für die Didaktik der romanischen Sprachen von der

Leibniz Universität Hannover und Vorsitzende des Deutschen Spanischlehrerverbands. Zudem hat Rössler ein Nord-Süd-Gefälle festgestellt: Spanisch wird als Schulfach schwerpunktmäßig nördlich des Mains unterrichtet. In Baden-Württemberg oder Bayern spielt das Fach eine eher geringe Rolle.

Mittlerweile ist aber Spanisch deutschlandweit im Aufwind. „An der Universität Heidelberg beobachten wir ein deutlich zunehmendes Interesse an der spanischen Sprache, sowohl in der Romanistik als auch in der Übersetzungswissenschaft“, erklärt Óscar Loureda. Lediglich ein Drittel der Bewerber für den Master-Studiengang Übersetzungswissenschaft Spanisch konnten jedoch zugelassen werden. Im entsprechenden Masterstudium würden von 120 Bewerbern nur 20 bis 25 aufgenommen. „Die Spanisch-Lehrstühle sind völlig überlastet“, sagt Loureda. Es gebe eine Tendenz zum Numerus Clausus an zahlreichen Hochschulen.

Da das Bachelorstudium meist sechs Semester dauere, reiche die Studienzeit häufig nur noch für einen Auslandsaufenthalt, erläutert die Vorsitzende des Deutschen Spanischlehrerverbandes. „Das ist zu wenig Zeit, eine Fremdsprache auf sehr hohem Niveau zu lernen.“ Würde man von Beginn an die Regelstudienzeit auf sieben oder acht Semester festlegen, würde den Studierenden viel Druck genommen. Des Weiteren fordert Andrea Rössler, dass Lehramtsstudenten von Spanisch-Spezialisten ausgebildet werden sollen. Zu diesem Zweck müssten aber mehr Spanisch-Lektoren für längere Zeit angeworben werden. Solange die Länder allerdings nicht mehr Mittel freigeben, bleiben die Spanisch-Lehrstühle überlastet.

[Text: Jessica Antosik. Quelle: migazin.de, 20.08.2012.]