Hamburger Piratenprozess findet kein Ende

Im Prozess gegen zehn Somalier, die vor zwei Jahren einen Hamburger Frachter geentert haben, ist eine Urteilsverkündung noch längst nicht in Sicht. Die Klärung der Schuldfrage wird durch die Zustände in Somalia, einem der ärmsten Länder der Welt, und aufwendiges Dolmetschen allerdings erheblich erschwert.

Erstmals seit 1401 stehen in Hamburg Seeräuber vor Gericht. Der Fall, der allein aufgrund seines Umfangs – zehn Angeklagte, 20 Pflichtverteidiger, vier Richter, vier Schöffen, zwei Staatsanwälte, neun Wachleute und vier Dolmetscher – einen immensen formal-juristischen Ablauf der Hauptverhandlung sowie einen finanziellen Aufwand darstellt, entwickelt sich zu einem juristischen Marathon. Am 7. September 2012 steht der 100. Verhandlungstag an. Ein Ende ist jedoch in weiter Ferne.

Jeder Beitrag muss übersetzt werden, und zwar nicht nur vom Deutschen ins Somalische und andersherum: Da mehrere ausländische Zeugen gehört worden sind, muss zum Teil doppelt übersetzt werden, das heißt erst vom Russischen, Niederländischen oder Englischen ins Deutsche und anschließend ins Somalische, so der Sprecher des Hanseatischen Oberlandesgerichts Conrad Müller-Horn.

Die Befragung der Zeugen und Sachverständigen beanspruche viel Zeit. Die Befragung eines Sachverständigen habe sich zum Beispiel über mehr als sechs Verhandlungstage erstreckt. Weil es nur wenige Dolmetscher für Somali gibt und die Angeklagten einen besonderen Dialekt sprechen, hatte man keine andere Wahl als Übersetzer aus anderen Bundesländern zu bestellen. Schwierig habe sich zudem die Suche nach Übersetzern für Gujarati und Urdu gestaltet. Dabei handelt es sich um Sprachen, die in Indien gesprochen werden. Doch selbst wenn man den passenden Übersetzer gefunden hat, sind noch nicht alle Schwierigkeiten aus dem Weg geräumt: Begriffe wie „Jugendgerichtshilfe“ oder „Radiologisches Gutachten“ existieren im somalischen Wortschatz nicht.

Zur aktuellen Höhe der Ausgaben will die Justizbehörde keine Angaben machen – sie dürften allerdings längst die Millionenmarke geknackt haben. Im Januar beliefen sich die ausgezahlten Beträge allein für die Dolmetscher und Pflichtverteidiger auf etwa 900.000 Euro.

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02.03.2012: Tagessatz für somalische Piratendolmetscher: 1.500 Dollar
21.12.2010: Keine leichte Aufgabe: Dolmetscher im Hamburger Piratenprozess
06.08.2009: Auch Piraten brauchen Dolmetscher

[Text: Jessica Antosik. Quelle: welt.de, 27.08.2012. Bild: Creative Commons Public Domain / Wikipedia.]