Hurrikan Sandy: Gebärdensprachdolmetscherin Lydia Callis wird zum Fernsehstar

Lydia CallisIn den letzten Tagen suchte Hurrikan „Sandy“ die amerikanische Ostküste heim und das Fernsehen berichtete rund um die Uhr über die neuesten Entwicklungen. Immer dann, wenn der New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg etwas mitzuteilen hatte, stand neben ihm eine Gebärdensprachdolmetscherin – meist die bei der Stadtverwaltung New York angestellte Lydia Callis, deren Mutter gehörlos ist.

„Die hübsche Dunkelhaarige“, schreibt die Deutsche Presse-Agentur, lasse Bloomberg „ganz schön grau aussehen“. Die „lebendige und emotionale Mimik und Gestik“ von Callis begeistere die New Yorker.

Viele Zuschauer faszinierte die auf den ersten Blick übertrieben wirkende Gestik und Mimik, die beim Gebärdensprachdolmetschen stets einer gewissen Komik nicht entbehrt. Callis brachte dadurch Dynamik und Farbe in den für mehrere Tage endlos scheinenden Reigen dröger Pressekonferenzen zum Wirbelsturm.

Inmitten der mit Trauermiene auf dem Podium herumstehenden Gestalten verkörperte sie den Überlebenswillen und Optimismus und zog dadurch alle Blicke auf sich. In Kommentaren heißt es, ihre Darbietung sei von Engagement, Mitgefühl und Warmherzigkeit geprägt. Callis versprühe Zuversicht und zaubere ein Lächeln auf die Gesichter der Fernsehzuschauer.

Die Internet-Gemeinde begeisterte sich zunächst wie üblich für Äußerlichkeiten und beschrieb Callis mit Adjektiven wie „swag“, „really cute“ und „charming“, ihre Verdolmetschungen seien „mesmerizing“ und hätten „style“. Aber auch diejenigen, die Gebärdensprachdolmetscher bei Pressekonferenzen einfach nur lustig finden, erkannten die Leistung von Callis neidlos als „great job“, „incredible“ und „awesome“ an. „She will bring a lot of attention to the world of American Sign Language interpreters“, schreibt ein Teilnehmer.

Kommentatoren, die Ahnung vom Gebärdensprachdolmetschen haben, attestieren Callis eine ganz hervorragende Arbeit.

Von dem plötzlichen Medieninteresse profitierte auch das National Technical Institute for the Deaf (NTID), eines der ältesten und mit 167 Studenten das größte Ausbildungsinstitut für Gebärdensprachdolmetscher in den USA. Dort machte Lydia Callis 2010 ihren Abschluss im Studiengang „American Sign Language and Interpreting“.

Das NTID gehört zum Rochester Institute of Technology, einer Art privater Fachhochschule. Für Gebärdensprach-Studenten werden am NTID Studiengebühren in Höhe von 23.667 USD pro Jahr erhoben.

Die Dozentin Linda Siple erinnert sich an Callis als „highly motivated, gracious and professional. She was very motivated with the deaf community here at NTID“.

Callis selbst hat es bislang abgelehnt, Interviews zu geben und reagiert nicht auf E-Mail-Anfragen der Presse. Greg Livadas, Sprecher des NTID, meint dazu: „By nature, the role of an interpreter is to accommodate effective communication, not to be the story. She may be uncomfortable with all the hype.“

Lydia CallisFox News Latino würdigt die Arbeit von Callis als „first-class performance art“:

Callis, who has gone viral, turned the usually understated practice of signing into first-class performance art, acting out the mayor’s message to New Yorkers. It was reportedly her first time interpreting at a press conference. […]
When in his characteristic fatherly but flat way the mayor described dire scenarios, she made a face that spelled devastation. When he spoke about tough decisions or confusions, she looked off into space, illustrating confusion.
And what got the most love were her hands – essential to signing, of course, but Callis’s hands became stars all themselves, like those of Manhattan’s most theatrical white-gloved traffic cops, or a masterful mime.
New York magazine said that Callis gave those who watched the press conference “a legitimate reason to smile.”
“There haven’t been a lot of famous sign language interpreters before this,” a Time magazine story said. “She was not only able to translate the important words of the Mayor to anxious viewers across the country, but also provided clear, coherent and animated explanations to millions of deaf and hard-of-hearing Americans.”

Und die New York Times schreibt:

Official news conferences in New York are often attended by sign-language interpreters. But they generally go unnoticed, blending in with the aides or elected officials that surround a mayor or a governor at such events.
Ms. Callis’s form makes it all but impossible not to notice her. With her smartly coifed short dark hair and sharp suits, she literally throws her whole body into signing, from her head to her hands to her hips.

In den amerikanischen Medien sind zahlreiche Artikel zum Phänomen Callis erschienen, die unter anderem folgende Überschriften tragen:

  • A Bright Light During Dark Days: Bloomberg’s Sign Language Star
  • Mayor’s Signer Lydia Callis Attracts Fans in Superstorm
  • During Storm Updates, Eyes on an Interpreter
  • Sign language interpreter Lydia Callis upstages New York mayor
  • Lydia Callis: Signing with Swag!
  • She’s Mike’s best ’sign‘ yet
  • Lydia Callis: The Viral Star of Superstorm Sandy
  • After Sandy, Bloomberg’s Sign Language Interpreter Finds Unexpected Fame

Eine Website besitzt Lydia Callis (noch) nicht. In den letzten Tagen sind aber einige Fanseiten entstanden.

Weiterführende Links

[Text: Richard Schneider. Bild: Zusammenstellung der „best moves“ von Lydia Callis auf einer Fanseite im Internet.]