Literaturübersetzerin Alexandra Ernst: „Das Spannende ist der Text und das, was im Kopf passiert“

Alexandra Ernst ist eine deutsche literarische Übersetzerin mit dem Schwerpunkt Kinder- und Jugendliteratur. In einem Interview mit dem Trierischen Volksfreund vom 27. Dezember 2012 berichtet sie über ihren Job.

Bevor die 47-Jährige ein Buch aus dem Englischen ins Deutsche übersetze, lese sie es erst einmal komplett durch. So mache sie sich vorab Gedanken zur Übersetzung. Danach übersetze sie es in chronologischer Reihenfolge. Jeder Übersetzer gehe allerdings anders vor. Einige Übersetzer lesen das Buch nicht vorher. Sie beginnen einfach, zu übersetzen und lassen sich vom Text überraschen. Andere fangen sogar in der Mitte an.

Auf die Frage, ob es ab und an langweilig werde, die Worte eines zu übersetzen, sagt die mehrfach ausgezeichnete Literaturübersetzerin:

Nein, gar nicht. Ich übertrage die Geschichte ja nicht einfach von einer Sprache in die andere. Sondern ich muss ihr im Deutschen Leben einhauchen. Es kommt ja darauf an: In welcher Zeit spielt die Geschichte? Wie drücken sich die Figuren aus? Und wie ist die Stimmung? Ich entscheide, welche Worte im Deutschen nachher im Buch stehen. Und das ist eine recht große Verantwortung.

Manchmal wähle sie Worte aus, die nicht exakt das bedeuten, was im Original geschrieben stehe. In diesem Fall liege der Fokus eher darauf, dass der Ton stimme. Immer wieder müsse sie sich die Frage stellen: Spielt die Worttreue oder die Stimmung der Geschichte eine wichtigere Rolle im Zieltext?

Ist der Text fertig übersetzt, schicke die gebürtige Wiesbadenerin ihn an den Verlag. Dort lese ein Lektor die Übersetzung. Bei Zweifeln oder Unstimmigkeiten wende sich dieser an sie, um sie nach anderen Möglichkeiten für die Textstelle zu fragen.

Das Interessanteste am Übersetzen sei für Alexandra Ernst Folgendes:

Das Spannende ist der Text und das, was im Kopf passiert. Ich lese gerne und habe diese Leidenschaft zu meinem Beruf gemacht. Und es gibt mir ein unglaubliches Hochgefühl, wenn ich die richtigen Worte finde, für das, was der Autor in seiner Sprache geschrieben hat. Da sitze ich manchmal hier in meinem stillen Kämmerlein und juble vor mich hin – weil ich so glücklich bin mit dem, was ich gerade in den Rechner getippt habe.

[Text: Jessica Antosik. Quelle: volksfreund.de, 27.12.2012.]