„Zwergensprache“: Sprechen lernen, ohne zu sprechen

Bevor Babys sprechen können, haben sie schon eine Menge zu sagen. Frischgebackene Eltern können aber häufig lediglich erraten, was ihr Baby meint. Diese kommunikative Barriere führt nicht selten zu Frustration. Nun schafft eine Babyzeichensprache Abhilfe.

Erfunden wurde die „Baby Sign Language“ in den 1980er Jahren als vereinfachte Form der Gebärdensprache in den USA. Der Kinderpsychologe Dr. Joseph Garcia bemerkte, dass sich die Kinder seiner gehörlosen Freunde wesentlich früher verständlich machen konnten als seine eigenen Kinder.

Im deutschsprachigen Raum ist diese Methode noch relativ jung. Vivian König etablierte hier die „Zwergensprache“. Mit Sprachwissenschaftlern wählte sie Gebärden aus der deutschen Gebärdensprache aus, die für Kleinkinder leicht zu erlernen sind. Richtige Gebärdensprache, wie sie gehörlose Menschen benutzen, ist die „Zwergensprache“ aber nicht.

Eltern wenden diese Sprache in gewisser Weise unbewusst an – etwa beim „Winke-Winke-Machen“ zum Abschied, beim Nicken für Ja und beim Kopfschütteln für Nein. Die Kinder lernen dadurch, dass sie ihre Eltern, die ein Wort sprechen und die entsprechende Gebärde zeigen, nachahmen. Das Kind stellt nämlich eine Zugehörigkeit her. Dies ist nur möglich, da das Kind zwischen dem sechsten und achten Monat über ein großes Sprachverständnis verfügt. Es versteht bereits viel, kann es allerdings mangels Sprache nicht zum Ausdruck bringen. Vivan König rät, mit einfach Babyzeichen anzufangen, die den Umgang im gemeinsamen Alltag erleichtern und die Grundbedürfnisse des Babys ausdrücken wie zum Beispiel die Wörter „Milch“ oder „essen“.

Dass das Konzept hinter der Zwergensprache nicht nur Hand, sondern auch Fuß hat, beweist die aktuelle Forschung: In den Vereinigten Staaten von Amerika und in Großbritannien liegen mittlerweile einige Langzeitstudien vor, nach denen Kinder, die mit der Zwergensprache aufgewachsen sind, einen Vorsprung in der Sprachentwicklung, der Intelligenz sowie der motorischen Entwicklung haben. Die normale Sprachentwicklung wird durch die Babyzeichensprache nicht negativ beeinflusst.

Die Babyzeichensprache ist mithilfe von Büchern und Videos erlernbar. Es gibt jedoch auch spielerische Kurse, die seit dem Jahr 2005 von lizenzierten Kursleiterinnen angeboten werden. Kathrin Sedlmeir erzählt aus eigener Erfahrung,

wie schön es ist, sein Kind so viel besser zu verstehen, und zu erfahren, was sich in den kleinen Köpfen schon alles abspielt. […] Unsere Zwergensprache ist nicht darauf ausgerichtet, kleine Genies zu züchten oder Lerndruck auszuüben.

So seien die Kurse, die sich mit einer Wochenstunde innerhalb von zwölf Wochen erstrecken, spielerisch angelegt und bieten den Kindern mit Singen, Tanzen und Spielen ausreichend Freiraum für eine individuelle Entwicklung sowie ein eigenes Lerntempo.

[Text: Jessica Antosik. Quelle: ovb-online.de, 18.12.2012; stern.de, 14.07.2005.]