Westdeutsche Zeitung zur EU: Gute Übersetzer sind teuer, deshalb nur noch wichtige Dokumente übersetzen

Verliert die deutsche Sprache in der Europäischen Union zunehmend an Bedeutung? In einem Kommentar in der Westdeutschen Zeitung bejaht Martin Vogler, Chefredakteur dieser Zeitung, die Frage. Er ist der Ansicht, dass die US-Amerikaner es besser haben als wir. Schließlich sprechen in den Vereinigten Staaten von Amerika geradezu alle – abgesehen von der spanisch sprechenden Minderheit – Englisch.

In Europa sehe die Situation allerdings ganz anders aus. Hier herrsche eine große Sprachenvielfalt. In der EU gibt es 23 Amtssprachen. Um nicht alle Dokumente in all diese Amtssprachen übersetzen zu müssen, habe man sich hauptsächlich aus finanziellen Gründen dafür entschieden, drei Verkehrssprachen zu etablieren: Englisch, Französisch, Deutsch.

„Wenn jetzt durch die Hintertür die deutsche Sprache in der EU zurückgedrängt wird, ist das schlechter Stil und die Empörung ist verständlich“, erklärt Martin Vogler. Der Grund bestehe darin, dass die Deutschsprachigen schließlich die größte Gruppe innerhalb der Europäischen Union darstellen. Deshalb sei es durchaus problematisch, wenn Bundestagsabgeordnete sich durch einen 500 Seiten dicken, auf Englisch verfassten Troika-Bericht schlagen müssen, da die deutsche Übersetzung fehle. Insbesondere bei komplexen Themen sei das Risiko groß, dass es zu Fehleinschätzungen oder Missverständnissen komme.

Ferner räumt Vogler Folgendes ein: „Andererseits sollte sich die nationale Aufregung in Grenzen halten. Denn möglicherweise empören sich jetzt dieselben Menschen, die auch stets die Geldverschwendung der EU-Bürokratie anprangern. Und gute Übersetzer sind teuer. Gelassenheit stünde Deutschland gut an, zumal es ja ansonsten eher bei den anderen Staaten im Verdacht steht, die Gemeinschaft zu stark zu dominieren. Wobei es dann nur konsequent wäre, wenn auch Frankreich auf teure Übersetzungen verzichten würde. Doch das ist eh nicht zu erwarten.“

Martin Voglers Vorschlag lautet nun, dass Deutschland sich darauf fokussieren sollte, lediglich besonders wichtige Übersetzungen anfertigen zu lassen. Ansonsten würde es aus finanzieller Sicht vorteilhafter sein, zukünftig in der EU nur noch auf Englisch zu kommunizieren. Im Wirtschaftsleben sei dies längst gang und gäbe. Wer heutzutage nicht über verhandlungssichere Englischkenntnisse verfüge, habe keine Chancen auf einen Spitzenjob. „Und seien wir ehrlich: Daran führt in der Politik auch kein Weg vorbei“, so Voglers Fazit.

[Text: Jessica Antosik. Quelle: wz-newsline.de, 14.12.2012.]