Wirtschaftskammer Wien: „Kompetenz alleine bringt keine Aufträge“

Mag. Sabine Kern, Mag. Dagmar Jenner, Mag. Michael Dell und Mag. Lenka Recek
Mag. Sabine Kern, Mag. Dagmar Jenner, Mag. Michael Dell und Mag. Lenka Recek

Viele Selbständige wie Übersetzer und Dolmetscher sind Ein-Personen-Unternehmen (sogenannte EPUs), die sich in einem Markt mit starken Mitbewerbern profilieren müssen. Selbstvermarktung bietet die wesentliche Chance, sich in diesem Umfeld erfolgreich zu positionieren und nach außen hin sichtbar zu werden. Denn gute Angebote und linguistische Kompetenzen reichen nicht aus, um potentielle Kunden zu erreichen und einen Auftrag zu erhalten. „Ob selbständig oder angestellt, das Denken des Entrepreneurs ist unerlässlich. Die Leistung, die erbracht wird, kann andere nur interessieren, wenn sie diese auch finden“, betont Mag. Sabine Kern, Vorsitzende des Berufsgruppenausschusses Sprachdienstleister in der Wirtschaftskammer Wien, die Wichtigkeit des unternehmerischen Handelns.

Selbstvermarktung als Erfolgsfaktor

Generell gilt: Einzelpersonen, die den Schritt in die Selbständigkeit wagen, müssen sich als Unternehmer verstehen. Mag. Dagmar Jenner, langjährige Übersetzerin und seit kurzem EU-Dolmetscherin, rät Übersetzerinnen und Übersetzern, zumindest die Preise an die Inflation anzupassen und vor allem mit der „Verpackung“ der Sprachdienstleistung zu punkten. „Kompromisslose Kundenorientierung und professionelles Auftreten spielen bei der Anbahnung der Auftragsvergabe eine entscheidende Rolle“, so Jenner. Zudem sollte das enge Zusammenspiel von Preis und Wert berücksichtigt werden, da über den Preis die Qualität der Sprachdienstleistung beurteilt werde. Neben einem informativen Online-Auftritt auf Website und Social Media Plattformen ist auch das Netzwerken für die Expertin ein Schlüssel zum Erfolg: „Es ist notwendig, die Komfortzone gelegentlich zu verlassen und die eigene Dienstleistung zu bewerben, denn die Auftragslage kann sich jederzeit auch verschlechtern. Es sollte mehr miteinander statt gegeneinander gearbeitet werden, denn gemeinsam sind wir stärker.“ Aus ihrer Sicht gibt es keine Alternative zum Marketing in eigener Sache, denn erfolgreiche EPUs müssen sichtbar sein.

Richtige Kundenansprache durch Neuromarketing

Eine klare Positionierung ist für EPUs genauso wichtig wie für Firmen, betonte Mag. Lenka Recek von der Nightwork Kommunikationsagentur KG. Dazu zählt ein einheitlicher Unternehmensauftritt in Bild und Sprache, um der Zielgruppe die Werte sowie die Fakten des Unternehmenns zu kommunizieren. Besonders die Erkenntnisse des Neuromarketings und die Zielgruppenorientierung nach Werten sind aus Sicht der Expertin hilfreich, um auf die Bedürfnisse der Kunden richtig reagieren zu können. So ist bei der Angebotslegung zu berücksichtigen, dass z. B. verhandlungsfreudige „Abenteurer“ anderes reagieren als Traditionalisten oder Performer. „Um authentisch zu sein, benötigt man das Bewusstsein, wer man ist und was man anbietet. Das Zusammenspiel der eigenen Positionierung und der Zielgruppe wird immer wichtiger, denn Kommunikation wird verstärkt zum Dialog und ist kein Vortrag“, kommentierte Recek die Bedeutung einer klaren Positionierung.

Sabine Kern, Bettina Habel, Kirsten Hawel, Helena Kempf und Gerhard Flenreiss
Sabine Kern, Bettina Habel, Kirsten Hawel, Helena Kempf und Gerhard Flenreiss

Vom Mut zur Zielgruppe profitieren

Wie wichtig die Herausarbeitung eines Alleinstellungsmerkmals und Selbstvermarktung für Sprachdienstleister ist, um sich von der großen Konkurrenz abzugrenzen, betonte auch Mag. Michael Dell, Unternehmensberater bei ratio strategy & innovation gmbh. Unternehmer sollten sich auf ihre Fachkompetenz stützen und auf adäquate Zielgruppen konzentrieren. Auf diese Weise würden sie einzigartig bleiben und in den Köpfen der Verbraucher eine Monopolstellung einnehmen. Durch die Darstellung im persönlichen Gespräch oder gesamten Marketing sollte der Kunde seine Vorteile klar erkennen. Der Unternehmensberater warnt davor, die Marketingagenden aus Kostengründen selbst durchzuführen und kommentiert: „Gut überlegtes Marketing muss nicht teuer sein. Unternehmer sollten die Vermarktung den Profis überlassen. Das zeigt sich auch im Bereich der Sprachdienstleitungen. Laien, die von ihren Englischkenntnissen überzeugt sind, begehen beim professionellen Übersetzen Fehler.“ Maßnahmen zur Selbstvermarktung sind für Sprachdienstleister unumgänglich geworden, um auch zukünftig erfolgreich zu sein und im Wettbewerb bestehen zu können. Denn es komme nicht darauf an, wie Unternehmer sich selbst sehen, sondern wie sie gesehen werden.

Fachgruppe Wien der gewerblichen Dienstleister – Berufsgruppe Sprachdienstleister

Die Fachgruppe der gewerblichen Dienstleister ist die gesetzliche Interessenvertretung der rund 700 gewerblichen Übersetzer und Übersetzungsbüros in Wien. Ziel der Berufsgruppe Sprachdienstleister unter Vorsitz von Mag. Sabine Kern ist die Professionalisierung des Berufsstandes. Innerhalb Österreichs umfasst dies die Förderung des Qualitätsbewusstseins und des Nachwuchses, die Durchführung von Aus-, Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen, Networking und die Etablierung von Kooperationstools sowie die Bewusstseinsbildung für die zunehmende Relevanz internationaler und interkulturellen Verständigung. Auf internationaler Ebene zählen die Förderung des Erfahrungsaustauschs mit Übersetzer- und Dolmetscherverbänden in anderen Ländern sowie  der internationalen Zusammenarbeit mit Ausbildungsstätten für Übersetzer und Dolmetscher zu den Zielen der Berufsgruppe. Details unter: www.sprachdienstleister.net. Auf der Homepage der Berufsgruppe sind 155 Sprachdienstleister mit verschiedenen Suchkriterien aufgelistet.

[Text: Dr. Sabine Unterweger. Quelle: Pressemitteilung Wirtschaftskammer Wien, 19.03.2013. Bild: WKW/Helga Nessler.]