Jetzt also doch: Cornelsen will Duden-Sprachtechnologie abwickeln

Die in Mannheim ansässige Sprachtechnologiesparte des Bibliographischen Instituts (BI), die für den Duden Software-Produkte entwickelt, soll zum 30.06.2014 geschlossen werden, wie der Cornelsen-Verlag als Eigentümer mitteilt. Betroffen ist davon vor allem die bei Übersetzern und Korrektoren beliebte Rechtschreibprüfung Duden Korrektor.

Die noch verbliebenen 19 Mitarbeiter sind von der Hiobsbotschaft allerdings nicht überrascht. Längere Zeit schon habe eine „komische Stimmung“ geherrscht.

Mit der Schließung der Sprachtechnologie würde auch der letzte Rest des Dudens am alten Stammsitz in Mannheim verschwinden.

Klaus Holoch, Leiter der Kommunikationsabteilung des Cornelsen Verlags, bestreitet Vorwürfe der Mitarbeiter, es sei schon bei der Übernahme des BI im Jahr 2009 beschlossene Sache gewesen, die Sprachtechnologie dichtzumachen:

Wir haben in den Geschäftsbereich Sprachtechnologie bis zuletzt große Hoffnungen gesetzt. Es gab Strategieworkshops, die sich speziell mit diesem Thema beschäftigt haben. Leider haben wir mit unserem Produkt bei den potentiellen Kunden aber nicht die erhoffte Resonanz erzielt.

Wir sind an Unternehmen herangetreten und haben ihnen angeboten, die Rechtschreibqualität ihrer verschickten E-Mails und Mitteilungen zu verbessern. Unsere Software ist dabei deutlich leistungsfähiger als die herkömmliche Rechtschreibprüfung von Microsoft Office oder ähnlichen Programmen, sie ist aber nicht kostenlos.

Dabei mussten wir feststellen, dass der Bedarf bei den Unternehmen deutlich geringer ist, als wir in unserem Business-Modell angenommen haben. Diesen Markt gibt es also nicht in dem Sinne, wie wir uns das vorgestellt haben. Die Unternehmen legen einfach deutlich weniger Wert auf einen fehlerfreien Schriftverkehr als wir das angenommen haben.

Von 195 ehemaligen Mitarbeitern wechseln nur 9 in die neue Duden-Redaktion in Berlin

Im Jahr 2009 hatte der Berliner Schulbuchverlag Cornelsen das BI übernommen. Von den ehemals 195 Mitarbeitern haben nur neun das Angebot angenommen, zum neuen Eigentümer nach Berlin zu ziehen. Rund 20 Mitarbeiter wechselten zu den Frankfurter S. Fischer Verlagen, an die im Januar 2013 die Kinder- und Jugendbuchverlage des BI verkauft wurden.

Ungefähr 90 Kündigungsschutzklagen waren vorm Arbeitsgericht Mannheim anhängig, rund 70 endeten mit einem Vergleich. Zum Teil wurden sechsstellige Beträge als Abfindungen gezahlt.

Letztendlich hat sich Cornelsen als Heuschrecke entpuppt

Die Arbeit beim Duden war für die Mitarbeiter nicht irgendein Job, sondern Berufung. Dennoch wurden nur 4,6 Prozent von ihnen übernommen und der seit 60 Jahren bestehende Traditionsstandort dichtgemacht. Das in Mannheim geführte Duden-Archiv mit Verlagsprodukten seit 1848 ging im Mai 2013 als Schenkung an die Universitätsbibliothek Mannheim, weil Cornelsen kein Interesse daran hatte.

Wenn man sich vergegenwärtigt, was durch die Entlassung der Mitarbeiter und die Abstoßung des Archivs an Erfahrung und Wissen für die Weiterentwicklung des deutschen Wörterbuchs nicht mehr zur Verfügung steht, dann kommt die Übernahme des Dudens durch Cornelsen einer Katastrophe gleich, die allenfalls mit der vergleichbar ist, die der Verlag durch den Zweiten Weltkrieg erlitten hat. Eine Folgewirkung war die Aufspaltung in einen Ost- und West-Duden in Leipzig bzw. Mannheim.

Cornelsen hat alles verkauft, was sich zu Geld machen ließ und sich die wertvolle Marke „Duden“ einverleibt. Dabei wurde das Produkt jedoch gefährlich ausgehöhlt, sodass fraglich ist, ob der Duden in den kommenden Jahren und Jahrzehnten seinem hohen Anspruch überhaupt noch gerecht werden kann.

Ehemaliger Betriebsratsvorsitzender: „Das alles bleibt brutal.“

„Bis heute habe ich immer noch nicht ganz begriffen, was da im vergangenen Jahr über die Dudenstraße hereingebrochen ist“, sagt Michael Bauer, ehemaliger Betriebsratsvorsitzender des Bibliographischen Instituts. „Da ist ein Traditionsunternehmen zerbröselt.“

Für viele Mitarbeiter habe die Kündigung mehr als nur den Verlust des Arbeitsplatzes bedeutet, so Bauer. „Manche Kollegen haben 25 Jahre und länger bei Duden gearbeitet. Das alles bleibt – auch in der Rückschau – brutal.“

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[Text: Richard Schneider. Quelle: Mannheimer Morgen, 2013-08-08, 2013-08-14; Rhein-Neckar-Blog, 2013-08-19.]