„Sprachungetüme und hanebüchene Fehler“: Zeit-Korrespondent kritisiert Übersetzung von Kissinger-Buch

Henry Kissinger WeltordnungMatthias Naß, der „internationale Korrespondent“ der Wochenzeitung Die Zeit, übt heftige Kritik an der Übersetzung des neuesten Buchs von Henry Kissinger. Schon in der Unter-Überschrift heißt es: „Henry Kissingers großes Werk über die Staatskunst – und wie seine deutschen Übersetzer es verhunzen.“

Die deutsche Ausgabe von „World Order“ ist soeben unter dem Titel „Weltordnung“ beim Verlag C. Bertelsmann erschienen.

Das Werk wurde von zwei Übersetzern, die vom Kritiker nicht beim Namen genannt werden, ins Deutsche übertragen. Vermutlich – wie bei geplanten Bestsellern heute üblich – unter erheblichem Zeitdruck.

Zwei Drittel des Artikels sind eine Lobhudelei auf den ehemaligen amerikanischen Außenminister und langjährigen Sicherheitsberater, dessen politische Rolle von Zeithistorikern zunehmend kritisch gesehen wird.

In einigen Ländern gilt Kissinger, dem 1973 der Friedensnobelpreis verliehen wurde, als Kriegsverbrecher und wird für den Tod Hunterttausender in Vietnam, Kambodscha und Südamerika verantwortlich gemacht. Gerichtlichen Vorladungen hat er sich stets entzogen.

Im letzten Drittel des Textes drischt der Rezensent dann auf die Übersetzer ein:

Der klare, elegante Satz „And a society is fortunate if its leaders can occasionally rise to the level of wisdom“ wird so übersetzt: „Und eine Gesellschaft kann sich glücklich schätzen, wenn ihre Führer Gelegenheit erhalten, sich mitunter auf die Stufe der Weisheit zu stellen.“

 

Sprachungetüme wie diese gibt es ohne Zahl. Und leider auch richtiggehende, manchmal hanebüchene Fehler. Da heißt es, der amerikanische Senat habe „den Beitritt der Sowjetunion zum Völkerbund“ abgelehnt. Es war natürlich der von Woodrow Wilson angestrebte Beitritt der Vereinigten Staaten zum Völkerbund, den der Senat ablehnte, wie im Original auch korrekt zu lesen. […]

 

Weil die Übersetzer Kissingers „first Gulf War“ (den Einmarsch Saddam Husseins in Kuwait 1990) besserwisserisch zum „Zweiten Golfkrieg“ (nach dem Iran-Irak-Krieg 1980 bis 1988) erklären, kommt es zu folgender absurder Kriegsaufzählung: „Korea, Vietnam, Zweiter Golfkrieg (bzw. Erster Irakkrieg), Dritter Golfkrieg (bzw. Zweiter Irakkrieg) und Afghanistan“.

Der Kritiker räumt ein, dass „nicht das ganze Buch […] so schludrig und fehlerhaft ins Deutsche übertragen“ worden sei. Dennoch empfiehlt er den Lesern, es im englischen Original zu lesen, „bis eine bessere deutsche Fassung vorliegt“.

Weiterführender Link

[Text: Richard Schneider. Quelle: Die Zeit 52/2014 (2015-01-01). Bild: C. Bertelsmann.]