Weltweit gültig: Neue Prozessnorm ISO 17100 für Übersetzungsdienstleistungen veröffentlicht

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ISO und Qualität

Die in Genf ansässige Internationale Organisation für Normung (ISO) hat am 01.05.2015 die englische und französische Fassung der Norm ISO 17100 „Translation services – Requirements for translation services“ veröffentlicht.

Die deutsche Fassung soll im August erscheinen und über den Beuth Verlag zum Preis von ca. 90 Euro bezogen werden können.

Die ISO 17100 löst die 2006 veröffentlichte Europanorm EN 15038 ab, die wiederum auf der einige Jahre älteren DIN 2345 fußt.

Neben dem verpflichtenden Haupttext gibt es 6 nicht verbindliche Anhänge mit Erläuterungen und Schaubildern.

Geltungsbereich nicht mehr auf Europa beschränkt

Im Gegensatz zur Vorläufernorm DIN EN 15038, die in 29 Ländern Europas anerkannt ist, schreibt die ISO 17100 die wichtigsten Standards der Übersetzungstätigkeit weltweit fest. Im Zuge der Globalisierung vieler Lebensbereiche ist die neue Norm sicherlich ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu mehr Einheitlichkeit.

Die EN 15038 war zum Teil umstritten und wurde häufig kontrovers diskutiert. Die neue ISO 17100 geht nun stärker auf Themen ein, die in den letzten Jahren immer wichtiger geworden sind und immer mehr Raum bei der Übersetzungstätigkeit einnehmen. Kenner der Branche sprechen in diesem Zusammenhang von einer zunehmenden Industrialisierung des Gewerbes. So werden zum Beispiel vor- und nachbereitende Prozesse von der ISO 17100 deutlich schwerer gewichtet als bisher.

Die ISO 17100 ist eine Prozessnorm

Die ISO 17100 unterscheidet sich von herkömmlichen Normen dadurch, dass sie eine Prozessnorm ist. In ihr werden die jeweiligen Schritte und Segmente beschrieben, die den Prozess einer Übersetzung kennzeichnen. Daraus folgt, dass sie nicht bei jedem Auftrag komplett zum Tragen kommen muss.

Trotz aller Anforderungen bleibt für Sprachdienstleister genügend Raum, um die Spezifikationen eines Projekts individuell und immer wieder neu zu vereinbaren.

Die wichtigsten Unterschiede zwischen ISO 17100 und DIN EN 15038

  • Der Übersetzungsprozess wird nun in der chronologisch richtigen Reihenfolge gegliedert. Das macht natürlich Sinn, war aber in der alten Norm so nicht strukturiert. Am Anfang stehen die vorbereitenden Arbeitsschritte, dann folgt die eigentliche Übersetzungsarbeit, abschliessend dieNachbearbeitung wie Dokumentation und Archivierung des Kunden-Feedbacks.
  • Bereits definierte Begriffe der DIN EN 15038 wurden erweitert und genauer beschrieben. Inhalt, Sprache, Dienstleistungen, Technologie und am Projekt beteiligte Personen werden getrennt nach Themenbereichen aufgelistet.
  • Übersetzer, Korrektoren und Revisoren müssen jetzt Sachkompetenzen auf dem fachlichen Gebiet einer Übersetzung nachweisen.
  • Ein Übersetzer kann seine Qualifikation im Gegensatz zu früher nun auch mit einem behördlichen Zertifikat nachweisen.
  • Die Kompetenzanforderungen an Projektleiter werden festgelegt. Der Dienstleister muss diese Kompetenz für jeden einzelnen Auftrag garantieren können.
  • Das Projektmanagement bei Übersetzungsprozessen rückt insgesamt stärker in den Vordergrund.
  • Die Verwendung moderner Tools (so genannter CAT-Tools) und Technologien wird in der ISO 17100 ausdrücklich behandelt.
  • Das Kunden-Feedback soll vom Dienstleister nach Erledigung eines Auftrags gezielt dokumentiert und archiviert werden.

Auftraggeber werden stärker eingebunden

Der Übersetzungsprozess richtet sich nach den individuellen Vereinbarungen zwischen dem Dienstleister und dem Auftraggeber. Die Norm ISO 17100 fordert, dass beide Partner die vorbereitenden Prozesse stärker in Augenschein nehmen und für jedes Projekt getrennt verhandeln.

Allgemeine Rahmenverträge und pauschale Angebote widersprechen der neuen Norm. Für den Auftraggeber heisst das, er muss seine Anforderungen genau definieren und im Zweifelsfall sein eigenes Qualitätsmanagement überdenken.

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[Text: SemioticTransfer AG, Einleitung von Richard Schneider. Quelle: www.semiotictransfer.ch/blog, 2015-01-26. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung von Lukas Keller. Bild: Doc Rabe Media / Fotolia.]

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