Interview mit Amanda Galsworthy, 28 Jahre lang Englisch-Dolmetscherin für Mitterrand, Chirac und Sarkozy

Amanda Galsworthy
Amanda Galsworthy

Amanda Galsworthy hat 28 Jahre lang drei französischen Präsidenten als Englisch-Dolmetscherin gedient: François Mitterrand, Jacques Chirac und Nicolas Sarkozy. Sie vermittelte bei Begegnungen mit Mandela, Thatcher, Obama und vielen anderen.

Die Tochter eines britischen Diplomaten wurde in Thailand geboren und kam mit 3 Jahren nach Brüssel. Als Absolventin der Pariser ESIT (École Supérieure d’Interprètes et de Traducteurs) hatte sie ihre ersten Dolmetscheinsätze auf höchster Ebene bereits 1984 im zarten Alter von 23 Jahren:

Die freiberuflich tätige Galsworthy wurde damals als Dolmetscherin für die Gattin des französischen Präsidenten engagiert, als ein Staatsbesuch in London anstand.

Von da ab war sie regelmäßig für Mitterrand tätig, so im selben Jahr auch bei einem Telefonat mit dem amerikanischen Präsidenten George Bush senior – nachts um 22:00 Uhr. Während des Telefonats sprang der Präsidentenhund, ein schwarzer Labrador, auf sie zu, setzte seine Pfoten auf ihre Schulter und leckte ihr quer durchs Gesicht, wodurch das Headset verrutschte und sich in ihren damals sehr langen und offen getragenen Haaren verfing. Anschließend ließ sich der Hund auf ihrem Schoß nieder und wich erst nach Ende der transatlantischen Telefonkonferenz.

Galsworthy gefällt, dass es in Frankreich üblich ist, die Dolmetscher bei Geschäftsessen mit an den Tisch zu setzen – mit einem kompletten Gedeck vor ihnen. Die in allen anderen Ländern übliche Unsitte, die Dolmetscher auf einem Stuhl im Rücken der Gesprächspartner zu positionieren, sei fürs Dolmetschen wesentlich unvorteilhafter und führe zu unnötigen Halsverrenkungen bei allen Beteiligten.

Im Lauf der Jahre kamen und gingen die französischen Präsidenten und britischen Premierminister, während die Dolmetscherin blieb. Galsworthys Erklärung: „Les interprètes restent parce qu’ils connaissent très bien les dossiers.“

Als François Hollande 2012 ins Amt kam, war dann aber trotzdem Schluss. Möglicherweise, weil sie den Sozialisten als zu Sarkozy-nah galt. Über Sarkozy sagt Amanda Galsworthy: „Of all the people I’ve ever worked for, he is the one who has trusted me most. It’s an incredible thing to work for someone who trusts you 100 percent.“

Heute leitet Galsworthy ihr eigenes Unternehmen im 9. Arrondissement von Paris: ALTO International, „une agence différente, spécialisée dans la médiation linguistique et culturelle“. Darüber hinaus gibt sie ihr Wissen und ihren Erfahrungsschatz als Lehrbeauftragte an der ESIT an den Branchennachwuchs weiter.

(Oben) Der Radiosender Europe 1 führte 2013 mit ihr ein längeres Gespräch (auf Französisch, 11:14 Minuten).

2014 führte LAB TV ein Gespräch mit ihr (französisch, 16:21 Minuten).

Und 2010 erzählte sie im World Service der BBC aus ihrem Leben (Audio, englisch, 28:00 Minuten):

www.bbc.co.uk/programmes/p008p34g

Weiterführende Links

[Text und Recherche: Richard Schneider. Bild: Galsworthy.]