Lübecker Richter zu Angeklagtem: „Sie bestimmen nicht die Dolmetscherin!“

JustitiaVor dem Landgericht Lübeck muss sich zuzeit ein 46-jähriger Amerikaner wegen Totschlags an seiner Ehefrau verantworten. Das Stormarner Tageblatt berichtet:

Seine Dolmetscherin hatte sich im Vorfeld mehr als vier Stunden auf die Übersetzung von Dokumenten vorbereitet, die sie ihm vorlesen wollte, fuhr sogar in die JVA Neumünster, wo der Angeklagte jedoch nicht mit ihr sprechen wollte.

Doch während der Verhandlung verlangt der genervt wirkende Angeklagte energisch sowohl einen anderen Anwalt als auch eine andere Dolmetscherin. Der Richter weist ihn darauf hin, dass er den Pflichtverteidiger durchaus durch einen Anwalt seines Vertrauens ersetzen könne, den er aber dann aus eigener Tasche bezahlen müsse.

Daraufhin mokiert sich der Amerikaner über die ihm zugeteilte Dolmetscherin: „Ich kann ihre abgebrochenen Sätze nicht verstehen.“ Klar und deutlich und durchaus verständlich seien die Simultan-Übersetzungen, hält der Richter entgegen. Doch der Angeklagte besteht auf einer anderen Dolmetscherin aus Ahrensburg, die ihm schon einmal geholfen und besser übersetzt habe, so der Angeklagte.

 

Dolmetscherin Margot Manger, die direkt neben dem Angeklagten sitzt, bleibt ruhig, die Anspannung ist ihr dennoch deutlich anzumerken. „Wissen Sie, langsam reicht es mir!“, sagt Richter Christian Singelmann. Robert B. aber bleibt auch nach mehrmaligem Nachfragen dabei, die anwesende Dolmetscherin nicht weiter empfangen zu wollen.

 

„Sie bestimmen nicht die Dolmetscherin“, sagt der Richter und beendet die Gerichtsverhandlung für diesen Tag.

Ungewöhnlich ist, dass die Presse den Namen der Dolmetscherin nennt. So lässt sich leicht herausfinden, dass die Betreffende als Diplom-Dolmetscherin qualifiziert ist, beim Landgericht Lübeck allgemein vereidigt ist, in Hamburg lebt und ADÜ-Nord-Mitglied ist.

[Text: Richard Schneider. Quelle: Stormarner Tageblatt, 2015-11-02. Bild: Richard Schneider (Justitia als Brunnenfigur auf dem Frankfurter Römerberg).]

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