Internationale Tagung in Wien: Translation und das „Dritte Reich“ II – Historiografische Herausforderungen

Pétain, Schmidt, Hitler, Ribbentrop
Der französische Chef de l’État Philippe Pétain empfängt am 24.10.1940 in Montoire den deutschen Kanzler. Zwischen den beiden ist Dr. Paul-Otto Schmidt als Dolmetscher zu sehen, der nach dem Krieg von 1952 bis 1967 Rektor des SDI München war. Rechts am Rand der deutsche Außenminister Joachim von Ribbentrop.

Im September 2016 wird in Wien die internationale Tagung „Translation und das ‚Dritte Reich‘ II – Historiografische Herausforderungen“ ausgerichtet. Es handelt sich um die Nachfolgeveranstaltung zur Tagung, die 2014 in Berlin an der Humboldt-Universität zum selben Thema stattfand. Die Organisatorinnen unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Larisa Schippel vom Zentrum für Translationswissenschaft haben soeben den nachfolgenden Call for Papers veröffentlicht:

Die Beschreibung ihrer Objektgeschichte ist der Translationswissenschaft über lange Zeit immer wieder von anderen Disziplinen abgenommen worden – Perspektiven und Methoden dieser Wissenschaften blieben in den Fragestellungen und Herangehensweisen an Translationsgeschichte sichtbar und erschwerten den Weg zu translationswissenschaftlichen Perspektiven und Herangehensweisen.

Folgende fünf Themenschwerpunkte sollen Anlass zur Reflexion bieten:

(1) Transkulturelle Perspektive

Translationsgeschichte folgt noch häufig den Spuren ihrer theologischen, literatur- oder sprachwissenschaftlichen u. ä. Vorgänger und wird in dichotomen (bikulturellen oder binationalen) Kategorien beschrieben. Auch wenn Translationsphänomene in der Regel sicherlich auch Spuren nationaler Zuschreibungen in sich tragen, wurde die Erkenntnisquelle einer transkulturellen Perspektive bisher noch wenig beachtet. Ein erster Schritt hin zu neuen, translationswissenschaftlich relevanteren Erkenntnissen scheint in der Öffnung dieser Beschränkung zu liegen.

(2) Kritische Quellen

Die Qualität von Translationshistoriografie hängt ab von den Quellen, die ihr zur Verfügung stehen und vom kritischen Umgang mit diesen. Auf welche Quellen können wir uns stützen, wie ist deren Leistungsfähigkeit und wo liegen deren Grenzen? Bibliografiedatenbanken zum Beispiel lassen sich nur über Umwege für die Suche nach Übersetzungen verwenden und Übersetzernachlässe könnten eine genuin translationswissenschaftliche Quelle sein, werden aber nur bei wenigen Übersetzern als bewahrenswert angesehen.

(3) Ausgewählte Objekte

Akteure (Übersetzer, Dolmetscher, Verlage etc.), Medien, Texte, Paratexte (Translationen, Korrespondenz, Arbeitsverträge, Registrierungen, Erinnerungen, Pressetexte etc.), Kapital (Vergütung), Arbeitsplatz (Ausstattung), Netzwerke, Ereignisse, Prozesse … Was ist noch nicht beschrieben in der aktuellen Translationshistoriografie? Was soll (erstmals?) ans Licht gebracht werden und was bleibt im Dunkeln?

(4) Optimierte Methoden

In den meisten akademischen Disziplinen entwickelten sich historiografische Methoden mit der Zeit, schrittweise, mit Trends, Gelegenheiten, Rückschlägen, Einschränkungen. Ist es ein Vorteil, die Objektgeschichte einer Disziplin gewissermaßen von Null beginnen zu können, ohne Umwege die neuesten Trends der Historiografie einarbeiten zu können? Was benötigt eine Geschichte der Translation? Prosopografische Darstellungen? Soziologische Analysen? Statistische Auswertungen? Was sind die erkenntnisversprechenden Analyse- und Erzählformen (Vergleich, Transfer, Verflechtung u. ä.)? Welche Disziplinen (Literaturwissenschaft, Kulturwissenschaften, Geschichtswissenschaft, Philosophie, Soziologie u. a.) bieten Ansätze? Histoire Croisée, Akteur-Netzwerk-Theorie, Feld-Theorie, Rezeptionsforschung?

(5) Übersicht und Synthese

Die Translationsgeschichte bietet bereits Mikrogeschichten: Wie können die Einzelgeschichten der Texte und Akteure – diese Anekdotensammlungen – zu einer Geschichte werden? Das heißt, wie können sie zu Kategorisierungen, Typologien oder Periodisierungen verknüpft und in Zusammenhang gestellt werden und somit eine Geschichte der translatorischen Handelns bilden?

Fortsetzung der Berliner Tagung von 2014

Die Tagung bildet die Fortsetzung der Tagung „Translation & the Third Reich“, die im Dezember 2014 in Berlin stattfand. Sie ergibt sich aus der Erkenntnis, dass gerade die Arbeit mit der Translationsgeschichte des „Dritten Reichs“ besondere Wachsamkeit und einen kritischen Umgang mit Methodik und Quellen fordert.

Es gilt noch so viel mehr darüber zu diskutieren, wie eine Translationsgeschichte zur Zeit des Nationalsozialismus geschrieben werden kann. Darüber hinaus könnten gerade auf Grund der erforderlichen wissenschaftlichen Strenge, Wachsamkeit und Klarheit die erarbeiteten Ansätze, Methoden und Erfahrungen im Umgang mit den Herausforderungen an der Arbeit mit Translationsgeschichte, Anwendungen finden für andere Dolmetsch- und Übersetzungskontexte, die aus historischer Perspektive betrachtet werden sollen.

Zu einem Zeitpunkt, da sich die Translationswissenschaft zunehmend ihrer Gegenstandsgeschichte zuwendet, halten wir es für sinnvoll und grundlegend wichtig, darüber zu diskutieren, wie wir diese Geschichte schreiben wollen und laden Sie herzlich ein, Ihre Überlegungen und Herangehensweisen im Rahmen unserer Tagung in Wien zu teilen und zu diskutieren.

Call for Papers: Einsendung bis 30.04.2016

Bitte senden Sie per Mail einen halbseitigen Abstract sowie eine dreizeilige Bionote in einer der Tagungssprachen bis zum 30. April 2016 an translation-thirdreich-2016@univie.ac.at. Die Abstracts werden auf der Internetseite der Tagung veröffentlicht und den Teilnehmern in der Tagungsmappe präsentiert.

Veröffentlichung in Buchform

Eine Auswahl der Beiträge wird im Anschluss an die Tagung in der Reihe „Transkulturalität – Translation – Transfer“ beim Verlag Frank & Timme in Berlin erscheinen. Die Einreichmodalitäten für Beiträge im Band werden nach der Tagung bekannt gegeben.

Tagungsinfos

  • Internationale Tagung Translation und das „Dritte Reich“ II – Historiografische Herausforderungen.
  • Wien, 29.-30. September 2016, Zentrum für Translationswissenschaft der Universität Wien
  • Tagungssprachen sind Deutsch, Englisch und Französisch.
  • Die Tagungsgebühr beträgt 60 Euro.
  • Die Organisation liegt in den Händen von Univ.-Prof. Dr. Larisa Schippel, Stefanie Kremmel, Sabine Lefèvre, Julia Richter, Karlheinz Spitzl und Cornelia Zwischenberger.

Mehr zum Thema

[Text: ZTW Universität Wien. Quelle: Mitteilung ZTW Universität Wien, 2016-02-08. Bild: Bundesarchiv, Bild 183-H25217 / CC-BY-SA 3.]

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