Auch für Übersetzungsbüros ein Problem: die Dialekte im arabischen Raum

Dialekte in der arabischen Welt
Die arabischsprachige Welt zerfällt in zahlreiche Dialekte, deren Sprecher sich teils kaum untereinander verständigen können.

Im Zuge der Flüchtlingskrise ist vielen in der Übersetzungsbranche Tätigen erst aufgefallen, dass es verschiedene Varianten des Arabischen gibt, die sich viel stärker voneinander unterscheiden als zum Beispiel deutsche Dialekte.

Oft wird das erst bei Rückfragen von Kunden deutlich, wenn diese wissen wollen, wer die Texte ins Arabische übersetzt habe. – „Unser Marokkaner.“ – „Nein, so geht das nicht. Wir brauchen das für Syrer. Bitte noch einmal neu übersetzen.“

Es empfiehlt sich also, genau nachzufragen, für welche Nationalität die Übersetzung gedacht ist. Denn neben den Kriegsflüchtlingen aus Syrien, die eine „Bleibeperspektive“ haben, strömen zurzeit Hunderttausende von Glücksrittern aus Marokko und Algerien nach Europa. Auch diese Trittbrettfahrer benötigen Dolmetscher und Übersetzer – bei der Registrierung, bei den Ämtern, vor Gericht, bei der Abschiebung.

Literaturübersetzer Günther Orth: „eine regelrechte Erosion des klassischen Arabisch“

Wie verwirrend die Unterschiede in Wortwahl und Aussprache sein können, beschreibt der in Berlin lebende Günther Orth (53) in einem Gespräch mit dem Goethe-Institut. Orth übersetzt arabische Literatur ins Deutsche und dolmetscht für Politiker, Wissenschaftler und Künstler aus der arabischen Welt.

Frage: „Sie lernten Hocharabisch – doch in den arabischen Ländern sprechen die Bewohner unterschiedliche Dialekte. Hat Sie das auf Ihren ersten Reisen irritiert?“

Günter Orth:

Arabisch zu lernen, ist in etwa so aufwendig wie vier bis fünf europäische Sprachen. Es ist sehr verwirrend, wenn einfache Dinge wie „ich will“ je nach Dialekt heißen: ayiz, beddi, brid, dayir, ashti, bghiti, bhibb oder abi. In der Hochsprache heißt es uridu, doch das wirkt im Alltag ziemlich deplatziert.

Eine wahrlich frustrierende Erfahrung für jemanden, der mühsam klassisches Arabisch gelernt hat und dann in ein arabisches Land reist und dort nach dem Weg fragen muss. Als ich studierte, beherrschten viele Araber noch korrektes Hocharabisch in Wort und Schrift. Seit etwa zwei Jahrzehnten lässt sich beobachten, dass das zu einem seltenen Fachwissen geworden ist.

Selbst Schriftsteller machen grammatikalische Fehler, die mir auffallen, weil man uns zu Beginn des Studiums und im Sprachinstitut von Damaskus mit den Feinheiten von Syntax und Deklinationen so schikaniert hat. In arabischen Schulen findet das offenbar nicht mehr statt. Das Ergebnis ist eine regelrechte Erosion des klassischen Arabisch.

„Wie ist es für einen Deutschen, Arabisch zu lernen?“ Dazu Orth: „Wie man so scherzt: Die ersten fünf Jahre sind die schwersten, danach geht es.“

Das vollständige Gespräch finden Sie auf der Website des Goethe-Instituts.

[Text: Richard Schneider. Quelle: Goethe-Institut, 2015-12. Bild: Internet-Fundsache, Quelle nicht ermittelbar.]

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