„Rahmenbedingungen besonders heikel“ – Universitas Austria zum Dolmetschchaos im Asylbereich

Universitas AustriaDas Landesverwaltungsgericht Steiermark hat vergangenen Freitag mehrere Einreiseverweigerungen für Flüchtlinge in Spielfeld an der österreichisch-slowenischen Grenze für rechtswidrig erklärt. Als Grund werden „nicht immer geeignete“ Dolmetschungen, durchgeführt von Laiendolmetschern, angeführt. Universitas Austria, der österreichische Berufsverband für Dolmetschen und Übersetzen, beobachtet diese Entwicklung seit Langem und versucht in Zusammenarbeit mit Universitäten und dem UNHCR mittelfristig Abhilfe zu schaffen.

Alexandra Jantscher-Karlhuber
Alexandra Jantscher-Karlhuber

„Beim Thema Dolmetschen im Asylbereich handelt es sich um eine komplexe Situation, bei der vorsichtig differenziert werden muss“, so Alexandra Jantscher-Karlhuber, die Präsidentin des Verbandes. Die Rahmenbedingungen im Asylbereich sind aufgrund der Bedarfssituation derzeit besonders heikel (Stichwort: enormer Dolmetschbedarf in den unterschiedlichsten, in Europa nicht gängigen Sprachen) und erfordern damit eine sorgfältige Auswahl der zum Einsatz kommenden Dolmetscher.

Ausbildungsmöglichkeiten für Arabisch fehlen

Zur Erläuterung: Es gibt in Österreich nur eine einzige Möglichkeit, ein vollwertiges Dolmetschstudium mit der Arbeitssprache Arabisch zu betreiben, wobei die Mindeststudienzeit für den Masterabschluss 10 Semester beträgt. Andere seit letztem Herbst dringend benötigte Sprachen wie etwa Dari werden in Österreich von professionell ausgebildeten Dolmetschern so gut wie nicht angeboten.

Während es begrüßenswert ist, dass seit Beginn der Flüchtlingskrise tausende Sprachkundige wertvolle Hilfe anboten, kann gut gemeint oft das Gegenteil von gut sein, wie die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts Steiermark eindrucksvoll zeigt.

Florika Griessner
Florika Griessner

„Es ist klar, dass hochqualifizierte Dolmetscher für bis dato in Österreich wenig nachgefragte Sprachen nicht von heute auf morgen universitär ausgebildet werden können“, erklärt Florika Griessner, die stellvertretende Leiterin des Instituts für Translationswissenschaft der Universität Graz.

Laiendolmetscher sind überfordert und bringen die Branche in Verruf

Besonders bedauerlich ist, dass die sprachliche Not der Flüchtlinge findige Vermittler auf den Plan ruft, die Sprachkundige als „Laiendolmetscher“ rekrutieren und diese Dolmetschsituationen aussetzen, die sie gar nicht bewältigen können. Damit wird die Branche insgesamt diskreditiert.

Lehrgänge für Laien sollen ein Mindestmaß an Qualifizierung gewährleisten

Teilweise Abhilfe schaffen Qualifizierungsprogramme, die derzeit in Graz, Innsbruck, Wels und Wien angeboten werden. Das Zielpublikum sind jene Sprachkundigen, deren Leistungen dringend gebraucht werden und die durch ein Mindestmaß an Qualifizierung dabei unterstützt werden, ihre Aufgabe professioneller zu bewältigen.

„Unser Fazit: Die viel zitierten ‚Laiendolmetscher‘ sind oft schlicht hilfsbereite Menschen, die mehr oder weniger gute Sprachkenntnisse haben. Es wird nicht unterschieden zwischen den Einsatzbereichen, also z. B. der Dolmetschung eines existenziell folgenreichen Erstaufnahmegesprächs einerseits und der Weitergabe von Informationen über Weiterreisemöglichkeiten etc. andererseits (gerade so, als ob wir alle weitreichend einsetzbare Laienmediziner wären, nur weil wir unseren Kindern blutende Schürfwunden verbinden und ihnen einen Hustentee zubereiten). Gerade im juristischen Bereich stoßen Helferinnen und Helfer rasch an ihre Grenzen und sollten diese im Sinne dessen, was auf dem Spiel steht, auch kennen und anerkennen“, fasst Präsidentin Jantscher-Karlhuber zusammen.

Österreich: 15 qualifizierte Arabisch-Dolmetscher, ein einziger für Dari

„Insgesamt zeigt die aktuelle Situation auch einen der großen Nachteile eines freien Gewerbes auf, das grundsätzlich so gut wie allen ohne Qualifizierungsnachweis offensteht. Ohne Berufsschutz können wir nur immer wieder auf Missstände hinweisen und versuchen, uns als professionell agierende Translatoren durch besondere Qualitätsmerkmale abzuheben“, erklärt die Präsidentin von Universitas Austria.

Eine Ausnahme sind lediglich allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Dolmetscher, die zusätzlich zu ihrer (zumeist) akademischen Ausbildung eine rigorose Prüfung absolvieren und dadurch einen Berufsschutz genießen. „Aber auch hier gibt es für die Weltsprache Arabisch in ganz Österreich nur 15 Personen und für Dari eine“, so Jantscher-Karlhuber.

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[Text: Universitas Austria. Quelle: Presseaussendung Universitas Austria, 2016-09-13. Bild: Universitas Austria.]

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