Nafri-Debatte: Was sagt die Sprachwissenschaft zur polizeiinternen Abkürzung für Nordafrikaner?


Nach Silvester hat sich in Deutschland eine äußerst hitzig in allen Medien geführte Debatte an der Abkürzung „Nafris“ entzündet, mit der polizeiintern Nordafrikaner bzw. „nordafrikanische Intensivtäter“ bezeichnet werden.

Die Kölner Polizei hatte den Ausdruck während ihres Großeinsatzes in der Silvesternacht in einem Tweet verwendet. Der Polizeisprecher teilte per Twitter mit: „Am HBF werden derzeit mehrere Hundert Nafris überprüft. Infos folgen.“ Das eingebundene Bild war mit der Unterschrift „Kontrolle von Nafris am Hauptbahnhof“ versehen. Die Abkürzung ist nach Angaben des neuen Kölner Polizeichefs Jürgen Mathies seit 2013 üblich (siehe obiges Video).

Nafri-Tweet

Darauf reagierte die Bundesvorsitzende der Grünen, Simone Peter, reflexartig mit Sprach- und Polizeikritik. „Herabwürdigende Gruppenbezeichnungen wie ‚Nafris‘ für Nordafrikaner“ seien „völlig inakzeptabel“. Es stelle sich auch die Frage „nach der Verhältnis- und Rechtmäßigkeit, wenn insgesamt knapp 1000 Personen alleine aufgrund ihres Aussehens überprüft und teilweise festgesetzt wurden“.

Normalerweise beteiligt sich das gesamte linke Spektrum an Rassismus-Vorwürfen (hier: racial profiling). Diesmal war das aber nicht der Fall. Ganz im Gegenteil: Auf Peter ging ein regelrechter Shitstorm nieder. Parteien, Medien, Polizeigewerkschaften und ein Großteil der Bevölkerung hielten ihre Kritik für ungerechtfertigt und unangemessen. Die Bild-Zeitung beschimpfte die Parteivorsitzende gar als „Grüfri“ („grün-fundamentalistisch-realitätsfremde Intensivschwätzerin“).

Nicht einmal die eigene Partei mochte Simone Peter folgen, sondern lobte wie der Co-Vorsitzende Cem Özdemir und Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt ausdrücklich das Vorgehen der Polizei. Peter sah sich deshalb wenig später gezwungen zurückrudern und ihre Aussage zu relativieren.

Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch: „Nafri nicht abwertend, nicht rechts, aber problematisch, weil zu weit gefasst“

Anatol Stefanowitsch ist Professor für Sprachwissenschaft am Institut für Englische Philologie der Freien Universität Berlin. Der begeisterte Twitterer ist in den Sozialen Medien bekannt wie ein bunter Hund. Regelmäßig wird er von Funk und Fernsehen zu Themen mit Sprachbezug befragt. Politisch ist der ehemalige Unterstützer der Piratenpartei klar links zu verorten. In dem von ihm mitbetriebenen sprachwissenschaftlichen Blog „Sprachlog“ (ehemals „Bremer Sprachblog“) schreibt er zur Nafri-Debatte:

Für die Kritik am Begriff lassen sich in der aktuellen Diskussion grob drei Begründungen erkennen:
1. Der Begriff klinge abwertend/herabwürdigend.
2. Der Begriff sei „Sprachgebrauch der Rechten“
3. Der Begriff pauschalisiere (suggeriere also, dass alle Menschen aus Nordafrika kriminell seien).

 

Die erste Begründung ist schwer einzuordnen, da es weitgehend subjektiv ist, was abwertend „klingt“ und ich keine genaueren Ausführungen finden konnte, worin dieser Klang liegen soll. […] Mir sind auch keine anderen abwertenden Wörter bekannt, die eine besondere Ähnlichkeit zu Nafri hätten – Wörter, die auf –i enden, etwa, können sowohl negativ sein (Alki, Spasti, Assi, Tussi, Knacki), als auch neutral (Azubi, Zivi, Schiri, Promi) oder sogar positiv (Profi, Spezi, Mami, Papi, siehe auch Kosenamen wie Schumi). […]

 

Die zweite Begründung lässt sich schnell als falsch einordnen. Der Begriff stammt nicht aus dem Sprachgebrauch der Rechten, sondern tatsächlich aus dem Sprachgebrauch der Polizei selbst. […]

 

Die dritte Begründung kommt einer sprachwissenschaftlich fundierten Kritik an dem Wort Nafri am nächsten, sehen wir sie uns also genauer an. […]

 

Der Begriff ist nicht deshalb problematisch, weil die Kölner Polizei (vermutlich korrekt) erkannt hat, dass bestimmte Gruppen von Menschen aus bestimmten Ländern ihnen besonders oft Probleme bereiten, sondern, weil die sehr breite Kategorie Nafri dazu führt, dass nicht nur etwa alle Tunesier unter einen Generalverdacht für die Taten einer bestimmten Gruppe von Tunesiern gestellt werden, sondern sogar etwa alle Syrer unter einen Generalverdacht für die Taten einer bestimmten Gruppe von Tunesiern gestellt werden (und umgekehrt). […]

Die Polizei verwendet also ein und dasselbe Wort für Menschen aus bestimmten Ländern (bzw. solche, die ihrer Meinung nach so aussehen), und für Straftäter aus diesen Ländern.  […]

Die Kölner Polizei hat den Begriff zunächst geschaffen, weil sie eine Bezeichnung für eine bestimmte Gruppe wiederholt straffälliger Menschen brauchte. Die Absicht dahinter ist nicht zu verurteilen. Sobald die Bezeichnung da ist, nimmt ihre Bedeutungsentwicklung aber ein Eigenleben an – in diesem Fall hat sich schnell eine Doppeldeutigkeit zwischen Menschen und Straftätern aus einer bestimmten geographischen Region herausgebildet […]

Aküfi (Abkürzungsfimmel) bei der Polizei

Abkürzungen für den Dienstgebrauch sind bei der Polizei weit verbreitet. André Schulz, der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), sagt: „Die Polizei dürfte mit führend sein im Verkürzungswahn.“ Die Akronyme würden verwendet, um zum Beispiel im Funkverkehr Zeit zu sparen und seien nicht wertend gemeint. Sie sollten aber nur intern genutzt werden, „da sie missverstanden werden könnten“.

Die Kölner Boulevardzeitung Express hat einige der bei der Polizei üblichen Abkürzungen zusammengestellt:

  • Nafri: nordafrikanischer Intensivtäter
  • Limo: linksmotivierter Straftäter
  • Remo: rechtsmotivierter Straftäter
  • Ladi: Ladendieb
  • RuBu: Person aus Rumänien oder Bulgarien
  • BaP: besonders auffällige Person
  • Hilope: hilflose Person, Betrunkener
  • Exi: Exhibitionist
  • EVL: Schwarzfahrer (die Abkürzung steht für „Erschleichung von Leistungen“)
  • Hufü: Hundertschaftsführer
  • Gefasa: Gefangenensammelstelle

Nafri – ein Wort macht Karriere

Die Parteivorsitzende der Grünen wollte „Nafri“ zum Unwort erklären, hat aber letztlich genau das Gegenteil erreicht. Vor der Debatte war die Abkürzung nur wenigen geläufig – jetzt kennt sie jeder. Gut möglich, dass die Bezeichnung in den allgemeinen Sprachgebrauch (zumindest in die Umgangssprache) übergeht und bei der nächsten Auflage in den Duden aufgenommen wird.

Auch die Vermarktung hat bereits begonnen: Schon am 02.01.2017 hat sich ein Domainhändler aus Wuppertal die Web-Adresse „nafris.de“ gesichert und auf dem Bilderdienst Fotolia wird bereits ein Symbolbild „Nafris“ angeboten.

Weiterführende Links

[Text: Richard Schneider. Quelle: FAZ, 2017-01-02; Bild, 2017-01-02; Express, 2017-01-03; Sprachlog, 2017-01-03. Bild: Polizei Köln.]