„Die Reise in den Westen“: Übersetzerin Eva Lüdi Kong mit Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet

Die Literaturübersetzerin Eva Lüdi Kong wurde für ihre Übersetzung des Romans „Die Reise in den Westen“ mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet.

Klassiker der chinesischen Literatur nie vollständig ins Deutsche übersetzt

„Xiyouji“ (西游记), „Die Reise in den Westen“, ist einer der vier klassischen Romane Chinas. Erzählt wird darin von vier Pilgern, die sich auf Geheiß des Kaisers auf den langen und gefahrvollen Weg zum „westlichen Himmel“ (dem heutigen Indien) machen, um Buddha zu huldigen und heilige Schriften zu holen: der fromme Priester Tripitaka und seine Begleiter, Affenkönig Sun Wukong, Eber Bajie und der Sandmönch. Die drei haben einst im Himmel Missfallen erregt und wurden auf die Erde verbannt, um sich dort zu bewähren.

Diese Geschichte um die beliebten chinesischen Legenden und Mythen kennt in ihrem Ursprungsland jedes Kind, doch wurde der Roman nur in kleineren Auszügen und noch nie vollständig ins Deutsche übersetzt. Dass das Werk nun in seiner ganzen Fülle und Vielfalt vorliegt, ist das Verdienst von Eva Lüdi Kong.

Die 400 Jahre alten Geschichten der chinesischen Literatur sind nicht nur in China, sondern auch in seinen Nachbarländern überaus populär und werden dank zahlreicher Verfilmungen auch im Westen immer bekannter.

Hauptfiguren
Die vier Hauptfiguren in einer Zeichenstudie für eine der zahlreichen Verfilmungen: Priester Tripitaka und seine Begleiter: Eber Bajie, Affenkönig Sun Wukong und der Sandmönch. – Bild: LBM

Eva Lüdi Kong: „Diese Popularität ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass das Werk auf ganz unterschiedlichen Ebenen gelesen werden kann: als spannende Abenteuergeschichte und Reise durch märchenhafte Welten, als Sammlung mythologischer Erzählungen, als politische Satire, als Reise zu geistiger Erlösung, als Darlegung buddhistischer, daoistischer und konfuzianischer Gedanken und nicht zuletzt als vielseitiges und illustratives Dokument zur traditionellen chinesischen Weltanschauung. Die bisher erhältlichen deutschen Fassungen geben leider nur einen Teilaspekt dieses umfassenden Werkes wieder, so dass insbesondere der geistige und philosophische Anspruch des Werkes kaum zur Sprache kommt. In meiner Übersetzung versuche ich den unterschiedlichen Aspekten dieses Werkes der Weltliteratur angemessen Rechnung zu tragen.“

Zurzeit plant der chinesische Erfolgsproduzent Zhang Jizhong eine Verfilmung als Trilogie in Zusammenarbeit mit James Cameron. Neben den Filmen gibt es zahllose (Kinder-)Bücher, Comics, TV-Serien und Videospiele, die den Stoff aufgreifen. Auch die bekannte Manga-Serie „Dragonball“ basiert darauf, und 2007 wurde die Oper „Monkey: Journey to the West“ in Manchester uraufgeführt.

Übersetzungsmarathon: 1.300 Seiten in 10 Jahren

Die Reise in den WestenLüdi Kong arbeitete zehn Jahre an der Übersetzung dieses klassischen Romans der chinesischen Literatur, der im 16. Jahrhundert zur Zeit der Ming-Dynastie geschrieben wurde. Das Werk umfasst 1.300 Seiten und ist in 100 Kapitel gegliedert.

Lüdi Kong hält Die Reise nach Westen für ein „Gemeinschaftswerk vieler Generationen von Erzählern“ und für vergleichsweise leicht lesbar. Sie vergleicht den Roman mit Dante Alighieris „La divina commedia“, in der es ebenfalls um die Suche nach dem rechten Weg geht.

Der Reclam-Verlag investierte 80.000 Euro, um diese Lücke in der chinesisch-deutschen Kultur- und Literaturvermittlung zu schließen.

Sinologie studiert und zweieinhalb Jahrzehnte in China gelebt

Eva Lüdi Kong hat das Werk in ein modernes, lebendiges Deutsch gebracht; aber sie hat noch mehr getan als das. Die vielen uns Europäern unverständlichen Aspekte hat sie durch einen umfangreichen Apparat erschlossen und den Kosmos der chinesischen Kultur zugänglich gemacht, mit all seinen konfuzianischen, buddhistischen, daoistischen, alchemistischen Traditionen.

Die Übersetzerin hat 25 Jahre in China gelebt. Ohne ihre profunden Kenntnisse, Geduld und Begeisterung hätte dieses außerordentliche Projekt nicht gelingen können. Nicht nur von einer Sprache in die andere hat sie übersetzt, sondern einen Abgrund der Zeiten und Denkungsarten überbrückt, treu dem wahren Begriff der Weltliteratur als einer Literatur aus der ganzen Welt für die ganze Welt.

Eva Lüdi Kong wurde 1968 in Biel/Bienne in der Schweiz geboren. Bereits während ihres Studiums der Sinologie in Zürich sowie der chinesischen Kalligrafie, der Kunst und der klassischen chinesischen Literatur in Hangzhou war sie als Sprachlehrerin, Dolmetscherin und Übersetzerin tätig. Sie arbeitete in Lehre und Forschung und widmet sich bis heute vorrangig der Übersetzung und Kulturvermittlung.

Weitere Nominierte in der Kategorie Übersetzung

Neben Eva Lüdi Kong waren folgende Übersetzer nominiert:

  • Holger Fock und Sabine Müller übersetzten aus dem Französischen „Kompass“ von Mathias Énard (Hanser Berlin)
  • Gregor Hens übersetzte aus dem Englischen „Shark“ von Will Self (Hoffmann und Campe)
  • Gabriele Leupold übersetzte aus dem Russischen „Die Baugrube“ von Andrej Platonow (Suhrkamp)
  • Petra Strien: übersetzte aus dem Spanischen „Die Irrfahrten von Persiles und Sigismunda“ von Miguel de Cervantes (Die Andere Bibliothek)

Über den Preis der Leipziger Buchmesse

Der mit 60.000 Euro dotierte Preis der Leipziger Buchmesse wird in diesem Jahr zum 13. Mal vergeben und ehrt herausragende Neuerscheinungen in den Kategorien Belletristik, Sachbuch / Essayistik und Übersetzung.

Die Preisverleihung fand am ersten Messetag, dem 23. März, in der Glashalle der Leipziger Messe statt. Der Freistaat Sachsen und die Stadt Leipzig unterstützen den Preis der Leipziger Buchmesse. Partner des Preises ist das Literarische Colloquium Berlin (LCB). Medienpartner sind das Magazin buchjournal, Cicero und Deutschlandradio Kultur.

Mehr zum Thema

red

Leipziger Buchmesse 2024