Jahrmarkt der Nettigkeiten: Nachbetrachtungen zur Elia-Together-Konferenz in Berlin

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Gruppenfoto im Mercure-Hotel in Berlin – 388 Teilnehmer aus 38 Ländern kamen zur ersten in Deutschland ausgerichteten Elia-Together-Konferenz.

Im Februar 2017 fand in Berlin unter dem Titel „Communicating for Success“ die „Elia together“-Konferenz erstmals in Deutschland statt – nach der Premiere im Vorjahr in Barcelona.

Der europäische Sprachdienstleisterverband ELIA (European Language Industry Association) will mit diesem neuartigen Veranstaltungskonzept Übersetzungsbüros und Einzelübersetzer zusammenbringen.

Ist dies gelungen? Die freiberufliche Fachübersetzerin Helke Heino hat die zweitägige Veranstaltung besucht. Nachfolgend ihr Bericht.

Elia togetherDie Elia (European Language Industry Association) ist ein Branchenverband für Übersetzungsunternehmen aller Art und aus aller Welt mit Geschäftsinteressen in Europa, der 2005 in Großbritannien als „non-profit Limited company“ gegründet wurde. Ziel von Elia ist es, den geschäftlichen Erfolg seiner Mitglieder zu fördern, indem die Unternehmen miteinander und mit verbundenen Organisationen (Tool-Anbieter, Universitäten und neuerdings auch Solo-Selbstständigen) in Kontakt gebracht werden. Zu diesem Zweck gibt es Netzwerke, Initiativen und diverse jährliche Veranstaltungen für die verschiedenen Marktbeteiligten.

Eine dieser Veranstaltungen ist Elia Together, auf der Mitarbeiter/innen von Agenturen (Language Service Companies, LSC) und selbstständig tätige Sprachmittler/innen (Independent Language Professionals, ILP) die Möglichkeiten haben, sich direkt auszutauschen.

Neben Plenar- und Fachvorträgen gibt es viel Zeit zum Netzwerken und zum gegenseitigen Kennenlernen. Die erste Elia Together fand im Februar 2016 in Barcelona statt und stieß trotz einiger Kinderkrankheiten auf sehr positive Resonanz auf beiden Seiten.

Kontaktaufnahme im Vorfeld

Elia togetherDa ich als Fachübersetzerin für Medizin und Pharmazie überwiegend für Agenturkunden arbeite und mir eine Kollegin von der guten Stimmung auf der Konferenz in Barcelona berichtet hatte, beschloss ich, die geografische Nähe der zweiten Elia Together in Berlin zu nutzen und meldete mich an.

Sobald die Teilnahmeliste Anfang Februar für alle Teilnehmenden zugänglich war, trudelten auch schon die ersten Anfragen nach persönlichen Treffen während der Konferenz in Berlin ein.

Das fing ja recht vielversprechend an! Ich informierte mich über die LSC und verabredete mich mit einigen Projektmanagerinnen zu einem Treffen auf der Konferenz.

Vielfältiges Vortragsprogramm: Relationships, Processes, Technology

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Insgesamt 39 Referentinnen und Referenten gestalteten das Programm.

Neben zwei Plenarvorträgen am Anfang und am Ende der Veranstaltung gab es ein dreizügiges Programm zu den Themen „Relationships“ (wie gehen LSC und ILP miteinander um, ethische Überlegungen), „Processes“ (wie erfolgt die Rekrutierung, wie können LSC und ILP gemeinsam an Ausschreibungen teilnehmen) und „Technology“ (Qualitätsmanagement, schnelle Konvertierung von Referenzmaterial, maschinelle Übersetzung/Post-Editing).

In den „Relationships“-Vorträgen ging es immer wieder um das Motto der Konferenz: Sprecht miteinander, Kommunikation ist äußerst wichtig, lasst euch nicht von Stereotypen und Vorurteilen beeinflussen. Wenn Freiberufler wissen, was Projektmanager von ihnen erwarten (und umgekehrt), funktioniert die Zusammenarbeit viel besser. Geht respektvoll miteinander um, hört eurem Gesprächspartner zu und haltet Vereinbarungen unbedingt ein. Alles nichts Neues, aber offensichtlich doch immer wieder erwähnenswert.

Harmonie und gute Laune im Mittelpunkt – Kaum kritische Nachfragen, keine Preisdiskussionen

Hier sowie beim Abschlussvortrag über maschinelle Übersetzung und Post-Editing bestand durchaus das Potenzial für kontroverse Diskussionen, aber es blieb alles äußerst harmonisch und die Nachfragen aus dem Publikum waren eher Bestätigungen als kritische Äußerungen.

Preise in konkreten Zahlen und Entlohnungsmodelle für Post-Editing kamen leider gar nicht zur Sprache.

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29 Vorträge und Diskussionsrunden standen zur Auswahl.

In den „Processes“-Vorträgen berichteten „Vendor Manager“ über ihre Rekrutierungspraktiken und gaben Tipps, nach welchen Stichworten auf Websites oder in den Profilen von ILP gesucht wird. Leicht am Thema vorbei, aber besonders interessant und herzerwärmend war die Vorstellung des Pro-Bono-Projekts „Jamil und Jamila“, mit dem Autorinnen und Übersetzerinnen gemeinsam Kinder in Flüchtlingslagern unterstützen. Sehr sympathisch, dass dieses Projekt hier präsentiert werden konnte.

Die „Technology“-Vorträge waren Präsentationen, wie man sie von anderen Sprachmittlungskonferenzen kennt: Konkrete Informationen und Hilfestellungen zu bestimmten Verfahren oder Tools, die man im Arbeitsalltag prompt umsetzen kann. Das war zwar nicht die Hauptintention dieser Veranstaltung, bot aber neben den vielen strategischen und ziemlich euphorischen Beziehungsvorträgen einen guten Anker in der Berufspraxis.

Der Jahrmarkt

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23 Aussteller präsentierten ihre Produkte und Dienstleistungen.

An der ersten Elia Together in Barcelona war von den ILP kritisiert worden, dass man nicht so recht wusste, wann und wie man welche Agenturen ansprechen konnte oder sollte.

Deswegen gab es auf dieser zweiten Elia Together in Berlin nicht nur die Stände der Aussteller (vor allem Tool-Anbieter und nur wenige Agenturen), sondern am Ende des ersten Konferenztags die „Together Fair“: 22 LSC warteten an ihren Stehtischchen mit Agenturwimpeln darauf, von interessierten ILP angesprochen zu werden.

Wer es geschafft hatte, das Heftchen zur „Together Fair“ aus der Konferenztasche rechtzeitig durchzuschauen, wusste genau, welche Sprachkombinationen und Fachgebiete die einzelnen LSC suchten und konnte die passenden Agenturen ganz gezielt ansteuern. Dieses Format kam offensichtlich sehr gut an, denn es herrschte ein äußerst reges Treiben, und an allen Tischen wurde lebhaft diskutiert.

Eine neue Initiative

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Die zweitägige Konferenz mit Abendveranstaltung bot reichlich Gelegenheit zur Kontaktaufnahme und Vernetzung.

Damit der Schwung dieser insgesamt sehr gut organisierten Veranstaltung nicht verpufft und die Kontakte weiter gepflegt werden können, wurde „Elia Engage“ ins Leben gerufen – ein Netzwerk, in dem sich alle Mitglieder von Elia (also LSC) und interessierte Selbstständige (ILP) kostenpflichtig anmelden können.

Erklärtes Ziel ist es, ein Kommunikationsforum zwischen den Elia-Together-Veranstaltungen zu bieten und neue „Best Practices“ für eine langfristige, für beide Seiten nützliche Partnerschaft zu etablieren.

Der Unterschied zu bereits bestehenden Netzwerken wird darin gesehen, dass alle teilnehmenden LSC als Elia-Mitglieder dem Elia-Ehrenkodex unterliegen und dass es außerdem einen separaten Ehrenkodex für „Elia Engage“ geben wird, dem sich alle Mitglieder unterwerfen. Momentan heißt es noch etwas schwammig „supporting positive working relationships between language service companies and independent language professionals“, aber die Initiative befindet sich auch noch im Aufbau.

Wer sich hier einbringen möchte, kann bis 31. Mai 2017 als Gründungsmitglied beitreten und sich an der weiteren Ausgestaltung dieses Netzwerkes beteiligen.

Über die Autorin

Dip. Trans. Helke Heino hat sich als Übersetzerin aus dem Englischen auf die Fachgebiete Marketing/Marktforschung, Wirtschaft, IT, Medizin/Medizintechnik und Pharmazie spezialisiert. Sie lebt und arbeitet in Walksfelde bei Hamburg. Ihre Website finden Sie unter der folgenden Adresse:

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Weiterführende Links

[Text: Helke Heino. Dieser Beitrag erschien zuerst in Heft 1/2017 des FORUMs, der Mitgliederzeitschrift des Übersetzerverbandes ATICOM. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung von Verband und Autorin. Bild: Elia.]