Mitgliederversammlung beschließt: Verband der Übersetzer und Dolmetscher (VÜD) wird aufgelöst

VÜD-Website
Die VÜD-Website im Juli 2017 mit dem Kurzhinweis auf die bevorstehende Auflösung.

„Am 10.06.2017 hat der VÜD in einer außerordentlichen Mitgliederversammlung seine Auflösung zum 31.12.2017 beschlossen. Die Mitglieder des VÜD erhalten die Möglichkeit, in einem vereinfachten und kostenfreien Verfahren dem BDÜ beizutreten.“ Diese knappe Mitteilung ist seit Kurzem auf der Website des in Berlin und Brandenburg agierenden Verbandes der Übersetzer und Dolmetscher (VÜD) zu lesen.

Wie der BDÜ mitteilt, werden die Mitgliedsverbände des BDÜ in den nächsten Tagen über das zwischen dem VÜD und dem BDÜ-Landesverband Berlin-Brandenburg in dieser Woche vereinbarte Prozedere für einen unkomplizierten Beitritt von VÜD-Mitgliedern zu einem der Mitgliedsverbände des BDÜ entscheiden.

Danach soll eine gemeinsame Erklärung von VÜD und BDÜ mit weiteren Informationen herausgegeben werden.

Innerhalb von 15 Jahren die Hälfte der Mitglieder verloren

Hauptursache der Entscheidung dürfte der anhaltende Mitgliederschwund sein, der seit mehr als 15 Jahren zu beobachten ist. Im Jahr 2000 zählte der VÜD noch 267 Mitglieder, 2015 waren es nur noch etwas weniger als die Hälfte, nämlich 131.

Finanziell zu schwach aufgestellt

Eine unmittelbare Folge des Mitgliederschwundes war, dass das bei niedrigen Mitgliedsbeiträgen ohnehin knapp bemessene Verbandsbudget immer kleiner wurde.

Im Infobrief 2/2016 stand zu lesen: „Die entrichteten Mitgliedsbeiträge machten 12.601,69 € aus. […] Dem stehen Ausgaben in Höhe von 12.405,55 € gegenüber, so dass wir mit einem Plus von 196,14 € das Jahr abschließen. Auf dem Festgeldkonto des Verbandes in Form eines Postsparbuches befinden sich derzeit: 1.538,55 €.“

Zum Vergleich: Mittelgroße Landesverbände des BDÜ verfügen über ein Jahresbudget von annähernd 100.000 Euro.

VÜD ist Mitgliedsverband der FIT

Der VÜD hatte in der ersten Hälfte seines 27-jährigen Lebens viele gute Jahre und engagierte sich sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene. Der Verband ist Mitglied in der FIT, dem Weltdachverband der Übersetzerverbände.

Verbandsgeschichte nach der Wende

Der VÜD ist einer von zeitweise vier gleichzeitig bestehenden Übersetzerverbänden, die nach der Wende im Kerngebiet der ehemaligen DDR gegründet wurden:

(1) VDÜ Land Brandenburg

Noch vor der Auflösung des Sprachmittlerverbandes der DDR hat Bruno Michalek den Verband der Dolmetscher und Übersetzer Land Brandenburg (VDÜ) gegründet, dessen Vorsitzender er stets war.

Der von der Mitgliederzahl her offenbar winzige Verein hat nie erkennbare Verbandsaktivitäten entfaltet, wurde aber auch nicht offiziell aufgelöst. Jedenfalls ist darüber in der Fachöffentlichkeit nichts bekannt. Die Website www.dolmetscherverband-brandenburg.de führt schon seit Jahren ins Leere.

(2) VÜD Berlin

Der VÜD hieß bei seiner Gründung im Jahr 1990 Verband der Übersetzer und Dolmetscher Berlin. Der Zusatz „Berlin“ wurde 2000 nach dem Zusammengehen mit dem LBDÜ gestrichen.

(3) und (4) BDÜ-Landesverband Berlin und BDÜ-Landesverband Brandenburg

Nach der Wende beglückte der BDÜ die neuen Bundesländer mit der Gründung eigener Landesverbände in Berlin und Brandenburg.

(5) LBDÜ

1996/97 trat der BDÜ-Landesverband Brandenburg unter seinem Vorsitzenden Dr. Falk Peter Weber nach schweren verbandsinternen Querelen aus dem Dachverband aus. (Ebenso wie der Landesverband Nordrhein-Westfalen, aus dem die ATICOM entstand, und der Landesverband Hamburg/Schleswig-Holstein, der sich in ADÜ Nord umbenannte.) Der fortan unter der Bezeichnung Landesverband Brandenburg der Dolmetscher und Übersetzer firmierende Verband kooperierte eng mit dem VÜD.

LBDÜ und VÜD bemühten sich einige Zeit intensiv um einen Zusammenschluss mit den anderen beiden in der Region tätigen Verbänden (BDÜ-LV Berlin und VDÜ), was aber an der starren Haltung des BDÜ gescheitert sein soll.

1999 beschloss der LBDÜ, sich 2000 aufzulösen und empfahl seinen Mitgliedern, in den VÜD überzutreten. Daraufhin legte der VÜD Berlin das Wort „Berlin“ ab, um die überregionale Öffnung auch im Namen deutlich zu machen.

Weitere Versuche der Kooperation mit dem BDÜ scheiterten bis ca. 2005 an der Führung des VÜD. Danach soll es eine konstruktive und kollegiale Zusammenarbeit in Sachfragen und gemeinsame Netzwerk-Veranstaltungen gegeben haben.

BDÜ dehnt Landesverband Berlin auf Brandenburg aus

Der BDÜ hatte nach dem Zusammengehen von LBDÜ und VÜD keinen neuen Landesverband Brandenburg gegründet. Die Lücke wurde erst einige Jahre später gefüllt, als der Landesverband Berlin durch Umbenennung in Landesverband Berlin-Brandenburg sein Zuständigkeitsgebiet ausdehnte.

Ab 2018 nur noch ein Übersetzerverband

Nach Auflösung des VÜD zum Jahresende wird es ab dem kommenden Jahr in Berlin und Brandenburg nur noch einen regional verwurzelten Verband für Übersetzer und Dolmetscher geben, den BDÜ-Landesverband Berlin-Brandenburg.

Als Alternative bieten sich jedoch einige kleinere überregional tätige Verbände wie der DVÜD, ATICOM oder auch der ADÜ Nord an.

Mehr zum Thema

Richard Schneider