Italien: Consiglio di Stato entscheidet, dass ausschließlich englischsprachige Studiengänge verfassungswidrig sind

Consiglio di Stato
Der Consiglio di Stato hat im Palazzo Spada in Rom seinen Sitz.

In Italien hat der Consiglio di Stato (Staatsrat), dessen Aufgaben teils mit dem Bundesverwaltungsgericht, teils mit dem Bundesministerium der Justiz vergleichbar sind, am 29. Januar 2018 entschieden, dass Studiengänge, die ausschließlich und gänzlich in einer Fremdsprache angeboten werden, verfassungswidrig sind.

Die „Internationalisierung“ der Hochschulen dürfe die italienische Sprache nicht zugunsten des Englischen in eine marginale Position abdrängen, auch nicht in einzelnen Fächern.

Er gab damit letztinstanzlich den seit 2012 klagenden Studierenden und Dozenten in vollem Umfang Recht.

Politecnico di Milano wollte weiterführende Studiengänge nur noch auf Englisch anbieten

Die Mailänder Technische Hochschule (Politecnico di Milano) hatte 2012 beschlossen, ab 2014 alle weiterführenden Studiengänge und Doktorandenprogramme nur noch auf Englisch anzubieten. Etwa 100 Hochschullehrer und Studenten klagten dagegen und waren damit 2013 vor dem regionalen Verwaltungsgericht erfolgreich.

Die Hochschule legte dagegen in der nächsthöheren Instanz, dem Consiglio di Stato, mit Unterstützung des Bildungsministeriums Berufung ein. Von dort gelangte der Streit 2015 an den Verfassungsgerichtshof.

Dieser befand am 21. Februar 2017, fremdsprachige Studienangebote seien zwar nicht zu beanstanden, aus verfassungsrechtlicher Sicht dürften sie jedoch keinesfalls die gleichen Angebote in der Landessprache aus den Curricula verdrängen. Er verwies den Fall Causa deshalb an die Vorinstanz, den Consiglio di Stato, mit dem Auftrag zurück, endgültig dementsprechend zu entscheiden.

Italienische Hochschulen haben sich bereits auf Rechtslage eingestellt

Die 56 Hochschulen Italiens bieten aktuell 339 englischsprachige Studiengänge an. Im Vorgriff auf das in dieser Form zu erwartende Urteil haben sich „viele, wenn nicht gar alle Universitäten dem schon angepasst“, so der Rektor des Mailänder Politecnico.

Situation in Deutschland

Die Situation in Deutschland: Von ca. 18.000 staatlich anerkannten Studiengängen bieten die deutschen Hochschulen nach Auskunft der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) bereits weit über 1.000 nur auf Englisch an.

Sehr oft existiert selbst für Angebote mit eindeutig regionalem oder Anwendungsbezug keine deutschsprachige und gleichwertige Alternative, so etwa in Potsdam, Cottbus oder Berlin, aber auch an vielen anderen Orten. Die Technische Universität München will 2020 sogar fast ihr gesamtes Lehrangebot in den weiterführenden Studiengängen auf Englisch umstellen.

Nach Ansicht des Arbeitskreises Deutsch als Wissenschaftssprache (ADAWIS) benachteiligt dies nicht nur deutschsprachige Studenten und Hochschullehrer, sondern verschlechtert auch die Lehre und behindert die berufliche und gesellschaftliche Integration ausländischer Absolventen.

In einer Pressemitteilung weist der Arbeitskreis darauf hin, dass sich die Verfassungen Italiens und Deutschlands hinsichtlich des Schutzes der Grundrechte, insbesondere der Wissenschaftsfreiheit und der Freiheit der Berufswahl, gleichen. Ein Verfassungsstreit zur Sprachlichkeit der akademischen Lehre könne in Deutschland ähnlich klar gegen „English only“ ausfallen wie in Italien.

Der Arbeitskreis Deutsch als Wissenschaftssprache rät deshalb allen öffentlichen Hochschulen, sich nicht auf dieses rechtliche Glatteis zu begeben, sondern stattdessen auf Mehrsprachigkeit, also nach wie vor auch deutschsprachige Studiengänge, eine landessprachliche Lehre und fachlich differenzierte und verbindliche Sprachkurse zu setzen.

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[Text: Richard Schneider. Quelle: Pressemitteilung ADAWIS, 2018-02-07. Bild: Lalupa / gemeinfrei.]