Jiddisch – eine moderne Sprache von Weltrang

Zwar hat Dorothea Greve keine jüdischen Wurzeln, aber dennoch hat sie Jiddisch bereits seit 1976 fasziniert. Es handelt sich dabei um eine Sprache, die sich aus vielen Sprachen zusammensetzt. Das Polnische, Russische, Hebräische, Aramäische, Mittelhochdeutsche und sogar Altitalienische und Altfranzösische hatten Einfluss auf das Jiddische. Jede dieser Sprachen hat strukturelle Besonderheiten, die das Jiddische vereint, wodurch es reich, aber zum Teil auch unübersetzbar geworden ist.

Die Sprache hat sehr viele Dialekte. In Litauen beispielsweise wird Nordostjiddisch, in Polen Zentraljiddisch und in der Ukraine und Bessarabien Südostjiddisch gesprochen.
Allerdings bedeutet das nicht, dass, nur weil die jiddische Sprache mittelhochdeutsche Wurzeln hat, ein Deutscher Jiddisch nicht lernen muss, denn es gibt zum Beispiel Wörter mit hebräischem Stamm, einer deutschen Vorsilbe und einer slawischen Endung. Außerdem versteht ein Deutscher Jiddisch mit ukrainischen oder litauischen Worten wahrscheinlich nicht. Jiddisch wird auf der ganzen Welt von etwa drei Millionen Menschen, hauptsächlich Juden, gesprochen.

Die 55-jährige hat Germanistik, Anglistik und Pädagogik studiert. Während des Mediävistik-Studiums hörte sie jiddische Musik vor allem von Tova Ben Zvi, einer Überlebenden des Lodzer Ghettos. Zudem hat sie einen Master in Jiddisch erworben. Sie war Mitbegründerin sowie langjähriges Vorstandsmitglied der Hamburger Salomo-Birnbaum-Gesellschaft, die Übersetzungen jiddischer Literatur unterstützt. Des Weiteren tritt sie als Jiddisch-Sängerin u.a. beim Festival „Yiddish Summer Weimar“ auf.

Seit 1985 lehrt sie u.a. an den Universitäten in Hamburg, London und Urbino sowie in der Erwachsenenbildung, d. h. seit etwa 30 Jahren singt, lehrt und übersetzt sie Jiddisch.

Nun zur Frage, wie sie Jiddisch gelernt hat. Schließlich konnte man damals kein Jiddisch in Deutschland studieren. Da wenige mit Jiddisch aufgewachsen sind, es kaum gelehrt wurde und da zu den Zeiten kein Holocaust-Überlebender Jiddisch unterrichtete, sprachen kaum Deutsche Jiddisch. Seit der Unterdrückung durch Stalin halten sich Muttersprachler bedeckt, weil es in der Sowjetunion unter Stalin verboten war, in der Öffentlichkeit Jiddisch zu sprechen. Diese Angst stecke den Leuten noch in jeder Zelle, so Greve. 1976 erfuhr sie, dass es in Stuttgart einen der wenigen deutschen Jiddisten gab, Herrn Wulf-Otto Dreeßen. Mit seiner Hilfe hat sie Jiddisch gelernt und anschließend eine Prüfung bei ihm abgelegt.

Dorothea Greve übersetzt jiddische Literatur und ist der Ansicht, dass es sowohl in Bezug auf die Qualität als auch auf die Menge von zu übersetzenden Texten viel zu tun gäbe, da viele Übersetzungen oftmals nicht mehr zeitgemäß seien. Man könne die jiddische Struktur nicht eins zu eins ins Deutsche übertragen. Ferner sagt sie, Jiddisch sei eine moderne Sprache und ihre Literatur von Weltrang: der jüdisch-polnische Autor Isaac Bashevis Singer wurde nicht umsonst im Jahre 1978 mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet. Er ist der erste und einzige jiddische Schriftsteller, der für sein Gesamtwerk, d.h. „für seine eindringliche Erzählkunst, die mit ihren Wurzeln in einer polnisch-jüdischen Kulturtradition universale Bedingungen des Menschen lebendig werden lässt“, den Literaturnobelpreis erhalten hat.

Verbreitungsgebiet des Jiddischen
Das Verbreitungsgebiet des Jiddischen vom 15. bis zum 19. Jahrhundert

[Text: Jessica Antosik. Quelle: die tageszeitung, 31.10.2010; Wikipedia. Bild: Wiktionary.]

Leipziger Buchmesse 2024