Konjunkturpaket: „Mit Wumms aus der Krise!“ – VGSD: Solo-Selbstständige wurden vergessen

Olaf Scholz
Olaf Scholz (SPD) will „mit Wumms aus der Krise kommen“. Der Jurist ist seit 2018 Bundesminister der Finanzen und Vizekanzler. - Bild: Thomas Köhler

„Wir wollen mit Wumms aus der Krise kommen“, hatte Finanzminister Olaf Scholz (SPD) auf der Pressekonferenz erklärt. Aber die von den Anti-Corona-Maßnahmen in besonderem Maße betroffenen 2,2 Millionen Solo-Selbstständigen wurden beim am 3. Juni 2020 verkündeten Konjunkturpaket offenbar schlichtweg vergessen. Jedenfalls werden sie in dem 15 Seiten langen, 57 Maßnahmen umfassenden Ergebnispapier des Bundesfinanzministeriums an keiner Stelle genannt.

Sicherlich werden wirtschaftsbelebende Impulse von dem 130 Milliarden Euro teuren Programm ausgehen. Aber keine der beschlossenen Maßnahmen wird die oft existenzbedrohende Lage von zum Beispiel freiberuflich tätigen Übersetzern und Dolmetschern merklich verbessern: Weder die für ein halbes Jahr geltende Mehrwertsteuersenkung von 19 auf 16 Prozent, noch der etwas günstiger werdende oder zumindest nicht noch teurer werdende Ökostrom, nicht die Forcierung der „nationalen Wasserstoffstrategie“, nicht der Bau von „mindestens zwei Quantencomputern“ und auch nicht die Kaufprämie für Elektroautos.

Mit Wumms in die Insolvenz?

Relevant ist für Solo-Selbstständige womöglich lediglich die Ankündigung, dass die Dauer von Insolvenzverfahren von sechs auf drei Jahre verkürzt wird.

VGSD: Solo-Selbstständige beim Konjunkturpaket übergangen

Dr. Andreas Lutz, Vorstand des Verbandes der Gründer und Selbstständigen Deutschland (VGSD), ist ebenfalls enttäuscht und hat dazu im Namen des Verbandes die unten wiedergegebene Erklärung abgegeben.

Im Rahmen der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbstständigenverbände (BAGSV) arbeiten auch die Übersetzerverbände BDÜ und ATICOM sowie der Lektorenverband VFLL mit dem VGSD zusammen.

Andreas Lutz
Der promovierte Diplom-Kaufmann Andreas Lutz hat 2012 den VGSD gegründet und ist seitdem dessen Vorstandsvorsitzender. – Bild: Thomas Dreier

Die Stellungnahme des VGSD im Wortlaut (Zwischenüberschriften von UEPO):

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Soforthilfen nicht verlängert, obwohl Gelder nur zu einem Viertel abgerufen wurden

Die im März mit großem Medienecho verkündeten Soforthilfen im Umfang von angeblich 50 Milliarden Euro werden eingestellt, obwohl eine Verlängerung um zwei Monate vorgesehen war und die Mittel bisher erst zu einem Viertel ausgeschöpft sind.

Statt das Programm rechtssicher auszugestalten, Lücken zu schließen und – wie von den Wirtschaftsministern der Länder schon Anfang April einhellig gefordert – auch einen Zuschuss zum Lebensunterhalt zu zahlen, werden die nicht ausgeschöpften Mittel nun zweckentfremdet und in Form sogenannter „Überbrückungshilfen“ an größere Unternehmen mit bis zu 250 Mitarbeitern weitergereicht.

Solo-Selbstständige Hauptverlierer der Corona-Krise

Die Solo-Selbstständigen gehen leer aus und werden so zu den Hauptverlierern dieser Krise gemacht. Zum Schutz der Gesundheit aller wurde vielen „Solos“ ihre Berufstätigkeit verboten, in einigen Bereichen werden sie de facto bis Jahresende nicht arbeiten können. Statt nun auch den Schaden gemeinschaftlich zu tragen, werden die Solo-Selbstständigen mit diesem alleine gelassen.

Nur betriebliche Kosten werden gefördert – Bei 43 Prozent sind das weniger als 500 Euro im Monat

Die Solo-Selbstständigen konnten schon bisher kaum von den – doch eigentlich eigens für sie ausgestalteten – Soforthilfen profitieren, denn gefördert wurden nur bestimmte betriebliche Kosten, die bei dieser Gruppe von Unternehmen meist nur in geringer Höhe anfallen.

Bei 63 Prozent von ihnen liegen die betrieblichen Fixkosten unter 1.000 Euro, bei 43 Prozent sogar unter 500 Euro pro Monat (Quelle: VGSD-Befragung unter 27.000 Selbstständigen).

Überbrückungshilfen als Ersatz für Soforthilfen noch restriktiver ausgestaltet

Bei den angekündigten Überbrückungshilfen, die die Soforthilfen ersetzen, sind die Hilfen noch restriktiver ausgestaltet. Solo-Selbstständige werden noch weniger erhalten als bisher. Auch sind die Voraussetzungen (Gutachten des Steuerberaters) so hoch angesetzt, dass sich die Antragstellung für Solo-Selbstständige noch weniger als bisher lohnen dürfte.

Lebenshaltungskosten sind bei Solos größter Posten im Budget

Die eigentlichen Kosten von Solo-Selbstständigen sind ihre private Miete, Lebenshaltungskosten, Krankenversicherung usw. Eine Übernahme dieser Kosten bleibt weiterhin ausgeschlossen.

Zu Beginn der Coronakrise hatte es in vielen Bundesländern geheißen, dass die Soforthilfen für diese Ausgaben eingesetzt werden dürften. Die Länder hatten jedoch nicht mit der Weigerung von Bundeswirtschaftsminister Altmaier gerechnet, die Soforthilfen dafür zu verwenden.

Bis heute und auch weiterhin verweist er Solo-Selbstständige in Bezug auf ihre privaten Lebenshaltungskosten auf die Grundsicherung („Hartz IV“).

Die meisten können und wollen keine Grundsicherung beantragen

Auch diese ist aber trotz angeblich „vereinfachter Antragstellung“ und „Verzicht auf Vermögensprüfung“ so ausgestaltet, dass mehr als 80 Prozent der betroffenen Solo-Selbstständigen sie nicht beantragen können und wollen. Bei Selbstständigen haben die Anträge oft einen Umfang von mehr als 100 Seiten.

Sehr viele Betroffene sind zudem im fortgeschrittenen Alter und haben entsprechend der bisherigen Rechtslage eigenverantwortlich für ihr Alter vorgesorgt. Diese Altersvorsorge schließt sie angesichts niedriger Vermögens-Freigrenzen nun zu einem großen Teil auch von dieser Art von Hilfe aus.

Andreas Lutz: „Regierung behandelt uns wie Erwerbstätige dritter Klasse“

VGSD-LogoVGSD-Vorstand Dr. Andreas Lutz fasst die Situation wie folgt zusammen:

„Die Regierung lässt die Solo-Selbstständigen im Stich und behandelt uns als Erwerbstätige dritter Klasse, dabei stehen wir für die Vielfalt in unseren Städten und im kulturellen Leben. Zum Schutz aller hat sie uns unsere Berufsausübung verboten. Das war nachvollziehbar. Sie darf uns nun aber mit dem Schaden, der höher ist als bei Angestellten, nicht einfach alleine lassen.“

Online-Petition zur Fortführung der Soforthilfen gestartet

Der VGSD hat gemeinsam mit der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbstständigenverbände (BAGSV) eine Bundestagspetition zur Fortführung der Soforthilfen und notwendigen mittelfristigen Maßnahmen gestartet, die unter dem folgenden Link mitgezeichnet werden kann:

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rs, VGSD