„Mit Vorsicht und Verstand zu genießen“ – Erfahrungen mit Linguee

LingueeVor wenigen Tagen hat Linguee sein Sprachenangebot um Französisch, Spanisch und Portugiesisch erweitert. Aus diesem Anlass wurde auf der Übersetzer-Mailingliste U-Forum im August 2010 über die praktischen Erfahrungen im Umgang mit diesem Werkzeug diskutiert. Nachfolgend einige Beiträge aus der Diskussion:

Uwe Kaiser, Ostfildern:
Ich habe es immer offen. Im Vergleich zu Leo finde ich Linguee für erfahrene Übersetzer weitaus besser, weil es oft viele Begriffe aus der Marketingsprache bietet. Die technischen und medizinischen bzw. Begriffe aus der Biotechnologie sind oft sehr gut.
Was immer auftaucht sind die EU-Seiten, unerlässlich für diejenigen, die Themen übersetzen, für die es EU-Richtlinien gibt.

Christiane Feldmann-Leben, Ettlingen:
Ich kann mich da nur anschließen. Linguee ist eine hervorragende Hilfe. Natürlich darf man sich nicht blind auf die Einträge verlassen, aber was ich als besonders vorteilhaft gegenüber Leo empfinde, ist, dass die Worte in ganze Sätze eingebettet sind. Da hat man eigentlich schnell eine Übersicht, was passt und was nicht. Wie bin ich bloß früher klar gekommen? Schade ist, dass als Sprachkombination nicht Deutsch-Französisch, sondern nur Englisch-Französisch angeboten wird, oder sehe ich das falsch?

Petra Prochazkova:
Du siehst es richtig. Für Deutsch-Französisch finden sich nur relativ wenige zweisprachige Webseiten.
Deutsch-französische Beispielsätze (und deutsch-spanische) gibt es bei www.linguatools.de, allerdings ist unsere Datenbank wesentlich kleiner.

Dodo Hobi, La Palma:
Ich möchte Linguee nicht mehr missen.

Lorraine Riach, Düsseldorf (www.riach-sessinghaus.de):
Ich schaue bei Linguee nur nach, wenn es keine andere Möglichkeit gibt. Die Qualität von den Begriffen, die ich auf Englisch brauche, ist meistens ziemlich schlecht. Die meisten Übersetzungen ins Englische scheinen nicht von Muttersprachlern zu sein und die Terminologie ist nicht wirklich brauchbar. Meiner Meinung nach ist es nicht mit einem Wörterbuch vergleichbar.

Per N. Döhler, Barendorf:
Ich bin der Meinung von Lorraine. Die englischen Texte sind oft ziemlich zweifelhaft. Die erschlagende Mehrheit der englischen Texte scheint von deutschsprachigen Websites zu stammen. Linguee sorgt bei mittelmäßigen Übersetzern in diese Richtung leicht für die Zementierung von Translatorese, weil die kritische Distanz durch die hohe Bequemlichkeit leicht verloren geht.

David Parry, Düsseldorf:
Ich benutze es von Zeit zu Zeit, sowie auch andere wie Beolingus/TU Chemnitz, Pons.de, dict.cc. Aber meistens ist es so, dass Ausdrücke, die nicht in LEO stehen, nirgendwo sonst zu finden sind. Dazu kommt, dass die Foren in LEO öfters eine Antwort oder zumindest einen Anfang anbieten.
Das Grundprinzip von Linguee ist gut, aber manchmal heißt es: Masse statt Klasse. Ich schließe mich Lorraine an. Wie immer, ist das Angebot mit Vorsicht und Verstand zu genießen. Denn oftmals stammt das, was als Referenzmaterial angeboten wird, aus sehr zweifelhaften Quellen.

Steffen Kern, Hamburg:
Ich selbst nutze Linguee seit etwa einem Jahr täglich, mehrfach und mit großer Freude. Ich möchte auf diese Seite wirklich nicht mehr verzichten müssen. Die Möglichkeit, in Paralleltexten suchen zu können, schlägt ein herkömmliches Wörterbuch wie Leo in vielen Bereichen. Allerdings gilt hier genauso wie bei Google: Man muss selbst beurteilen können, wie glaubhaft die Quelle ist. Aber Linguee macht einem das leicht, indem die URL der Quelle unter dem Suchergebnis angezeigt wird. Mit einem Klick kommt man dann auch auf die entsprechende Seite. Aber Vorsicht: Linguee zeigt auch Seiten an, auf denen chinesische Hersteller für ihre Produkte mit Maschinenübersetzungen werben.

Ingo Hubricht, Coburg:
Linguee ist bei mir meistens eine der ersten Onlinequellen, die ich benutze.

Anke Cherrak, Windeck-Werfen (www.cherrak.com):
Auch ich nutze Linguee gerne und regelmäßig. Fachkenntnisse sind allerdings unbedingt erforderlich, um unterscheiden zu können, ob ein Eintrag brauchbar ist oder nicht. Linguee ersetzt kein Wörterbuch und soll auch keins sein. Als Inspirationsquelle und Ausgangspunkt für die weitere Recherche ist es für mich aber mittlerweile unverzichtbar und die Tatsache, dass ich dort auch Dinge finde, die in keinem Wörterbuch erfasst sind, macht es noch wertvoller. Vieles von dem, was ich täglich übersetze, findet man eben nicht im Wörterbuch, weil der Sachverhalt noch zu neu ist oder zu selten vorkommt. Schön, dass es jetzt nicht mehr nur auf die Sprachen Englisch und Deutsch beschränkt ist.

Matthias Schauen, Köln:
Ich verwende Linguee nicht und stoße nur über Google-Suchen immer mal wieder auf die Seite. Dann finde ich dort in den Bereichen Biowissenschaften und Medizin zu 90-100 % Schrott. Schlecht und billig übersetzte Packungsbeilagen, schlecht übersetzte Patente usw.

Hans-Jürgen Stellbrink:
Linguee enthält praktisch nur deutschsprachige Originaltexte sowie hierzu verfügbare englische Übersetzungen. Entsprechend ist das Deutsche per Definitionem richtig, während das Englische übersetzt ist. Das Deutsche ist damit verwendbar, das Englische meistens nicht.

Uwe Hirayama, Krefeld:
Da ich überwiegend ins Deutsche übersetze und Linguee primär deutsche Quelltexte angibt, war ein erster Versuch mit „base end“ ziemlich erfolgreich, insbesondere was alternative Ausdrucksweisen im Deutschen angeht.

Bernd Müller, München:
Ich nutze Linguee kaum, da die für mich interessante Sprachkombi DE/FR nicht vorhanden ist.
Wie seht Ihr EurLex im Vergleich zu Linguee? Ist EurLex IMMER verlässlicher (aber leider etwas unbequemer zu handhaben als Linguee)? Übrigens gibt es seit Jahren schon eine mit Linguee vergleichbare Website, die ausschließlich mit EU-Texten arbeitet, aber leider weitaus weniger Texte umfasst und Treffer bringt als EurLex: Evrokorpus. Wird jedoch selten angesprochen in Kommentaren. Ich nutze sie auch kaum noch wegen der zu geringen Trefferzahl.

Julia Herzog, Langenfeld:
Auch ich finde die Website Linguee äußerst hilfreich, da kontextbezogene Übersetzungslösungen angeboten werden.
Und die ausgebildeten ÜbersetzerInnen wissen ja (hoffentlich) auch, zu differenzieren.

Marion Schweizer, Hamburg (www.textpraxis.de):
Ich finde, mit Leo kann man das nicht vergleichen, das sind doch zwei völlig unterschiedliche Paar Stiefel. Ich nutze Linguee öfter für mehrteilige Ausdrücke bzw. Wendungen, die sonst in Wörterbüchern oft nicht zu finden sind. Allerdings auch mit großer Vorsicht. Lösungen übernehme ich nur, wenn sie mir entweder unmittelbar einleuchten oder wenn ich noch anderweitige plausible Belege dafür finde. Also auch eher als Ausgangsmaterial für weitere Recherchen.
Bei Linguee ist mir oft nicht klar, ob ich, wenn ich eine englische Wendung eingebe, dann auch tatsächlich nur englische Originaltexte mit deutschen Übersetzungen erhalte, oder ob da auch die englischen Übersetzungen deutscher Originaltexte angezeigt werden. Zu wissen, welcher Text der Originaltext ist und welcher die Übersetzung, würde die Bewertung in vielen Fällen deutlich erleichtern.

Herbert Eppel aus England (www.HETranslation.co.uk) hat im Jahr 2009 zu diesem Thema einen Artikel für das MDÜ verfasst. Diesen können Sie auf seiner Website als Pdf-Datei abrufen.

[Text: Jessica Antosik. Quelle: u-forum, August 2010. Bild: Linguee GmbH.]