Erika Tophoven über ihr Leben als Übersetzerin in Paris

Ende letzten Jahres hat Erika Tophoven ein Buch veröffentlicht, in dem sie über ihr Leben als Übersetzerin in der französischen Hauptstadt Paris berichtet: Glückliche Jahre. Übersetzerleben in Paris hat sie ihr Werk getauft. In ihrem Erinnerungsbuch erzählt sie rückblickend über die Zusammenarbeit mit Elmar Tophoven, ihrem Ehemann. Im Gespräch mit Marion Gees spricht sie von Begegnungen mit Autoren, Verlegern und Lektoren. Außerdem beinhaltet das Werk bedeutende Essays von Elmar Tophoven und ein Porträt des Ausnahmeübersetzers von Christian Linder. Bis heute steht Erika Tophoven im Schatten ihres berühmten Mannes.

Erika Tophoven ist 1931 in Dessau geboren und in Ostfriesland aufgewachsen. Sie studierte Englisch und Französisch und ließ sich nach dem Krieg in München zur Übersetzerin ausbilden. Seit 1957 ist sie als freischaffende Übersetzerin aus den beiden genannten Sprachen tätig. Zusammen mit ihrem Mann, der 1989 verstorben ist, vermittelte sie über viele Jahre hinweg zwischen den Kulturen. Das Ehepaar hat wie nur wenige mit ihrer Übersetzerarbeit zur Verbreitung französischer Schriftsteller in Deutschland beigetragen. In einem Interview mit dem Deutschlandfunk erzählt Erika Tophoven über die Arbeit mit ihrem Mann:

Diese Einsamkeit, die der Übersetzerberuf mit sich bringt, spürten wir weniger, da wir zu zweit waren, die Passion des Übersetzens teilten und das Übersetzen ein wichtiges Bindeglied zwischen uns bildete. Die Lösungen kamen mal von der einen, mal von der anderen Seite und entwickelten sich oft im Gespräch. Ich lernte zu erkennen, warum eine Lösung besser war als die andere. Und könnte mit Winnie in „Glückliche Tage“ sagen, es waren glückliche Jahre.

Die „Tops“, wie Freunde sie nannten, zählen zu den großen Literaturübersetzern aus der französischen in die deutsche Sprache und haben so ziemlich alles übersetzt, was Rang und Namen hat: Sie übertrugen Titel von Samuel Beckett, Hélène Cixous, Agota Kristof, Nathalie Sarraute, Victor Segalen, Claude Simon, Alain Robbe-Grillet, Marguerite Duras und Georges Simenon ins Deutsche. 1978 gründeten sie das Europäische Übersetzer-Kollegium in Straelen. Von 1956 bis 1989 lebte Erika Tophoven in Paris. „Es war ein ganz normales Übersetzerleben in großer Zurückgezogenheit und immer gebeugt über irgendeine Übersetzung. Und das Schöne daran ist, dass ich davon heute noch zehren kann, von dieser Arbeit“, so die heute 80-Jährige.

Mit dem irischen Schriftsteller Beckett, der seit 1937 in Frankreich lebte, verband „Kiki“ und „Top“, wie Samuel Beckett zu den beiden Tophovens sagte, eine 35-jährige so enge Zusammenarbeit, wie sie zwischen Übersetzern und Autoren äußerst ungewöhnlich ist. Das Übersetzerpaar fühlte sich dem transparenten Übersetzen verpflichtet und diskutierte oftmals mit dem Autor über die korrekte Wortwahl. Zu Beginn beschäftigte sich Erika Tophoven mit Becketts englischen Texten, während ihr Mann sich um die französischen kümmerte. Allerdings waren die ersten Jahre nach dem Krieg nicht immer einfach für Deutsche. Die Schriftstellerin Nathalie Sarraute beispielsweise wollte die deutschen Übersetzer anfangs nicht treffen.

In einem Gespräch mit dem Deutschlandfunk sagt Erika Tophoven über die Anfangszeit in Paris:

Ich muss sagen, dass ich ja erstmal wirklich Schülerin war. Ich habe die ersten zehn Jahre eigentlich nur wie ein Schwamm alles aufgenommen und gelernt, gelernt, gelernt, worauf es ankam, und dann war ich so die erste Leserin, kritische Leserin, machte meine Anmerkungen, die wurden diskutiert. Dabei lernte ich schon zu argumentieren, eben dieses einfache „Es klingt ja nicht gut“ eben doch etwas mehr zu präzisieren und mir klar zu werden, woran liegt es denn nun an diesem Satz, warum der nicht gut klingt. Und nach einer gewissen Zeit kam natürlich auch das Bedürfnis, mal selbstständig zu übersetzen. Und das habe ich dann so in den 70er Jahren auch weiter durchgeführt, aber immer so, dass wir beide zusammen oder parallel an den entscheidenden Texten arbeiten konnten.

Der Titel ihres Buches weist auf das Theaterstück „Glückliche Tage“ von Beckett hin, der ihr Lebensthema darstellt. In einem Interview mit dem Literatur- und Hörbuch-Magazin Bücher berichtet Erika Tophoven, wie sie zum Übersetzen kam:

Mein Mann, schon seit 1949 in Paris sesshaft geworden, hatte bei unserer ersten Begegnung im Herbst 1956 ein Hörspiel von ihm in der Tasche („All That Fall“) und stand vor dem Problem, von dem jahrelang auf Französisch schreibenden Autor auch englische Texte übersetzen zu müssen. Ich kam aus München mit meinem Übersetzerdiplom. Von Literatur hatte ich wenig Ahnung. Ein paar Wochen später waren wir bei Beckett. Das war der Beginn einer langjährigen Zusammenarbeit.

Die Frage, wie die deutsche Literaturwelt mit ihren Übersetzungen umging, beantwortet sie wie folgt:

Die Reaktionen entnahmen wir den Kritiken und was wir von deutschen Freunden darüber hörten. Wir waren für viele eine Anlaufstelle in Paris, fuhren selbst aber nicht oft nach Deutschland und wurden davor gewarnt, kein „Emigranten-Deutsch“ zu schreiben. Deutschland hatte ein großes Nachholbedürfnis und war interessiert an allem, was an neuen Ausdrucksformen im Ausland erschien.

Auf die Frage „War es dennoch für Sie ein Vorteil, im Land Ihrer Autoren zu leben?“ antwortet sie:

Gewiss. Sie kamen zu uns oder wir zu ihnen. Heute finde ich es besser, in Berlin zu leben. Wer interessiert sich in Frankreich für deutsche Übersetzungen?

„Außer dem persönlichen Kontakt zu den Autoren – folgten Sie anderen Leitlinien?“ lautet eine weitere Frage.

Das Interesse für den eigentlichen Übersetzungsprozess entwickelte sich erst in den sechziger Jahren. Es förderte die Selbstbeobachtung. „Sprachgefühl“ und „aus dem Bauch-Übersetzen“ reichten allein nicht mehr aus.

Das komplette Interview können Sie hier abrufen.

In der ARD Mediathek ist ein rund achtminütiger Podcast verfügbar.

Über das Buch
Erika Tophoven: Glückliche Jahre. Übersetzerleben in Paris
Verlag: Matthes & Seitz Berlin
ISBN: 978-3-88221-571-7
Umfang: 239 Seiten
Auflage: 1. (18.10.2011)
Preis: 19,90 Euro

[Text: Jessica Antosik. Quelle: dradio.de, 23.01.2012/06.03.2012; matthes-seitz-berlin.de. Bild: matthes-seitz-berlin.de.]