Kunst, Vampire und Fotografie beim 20. Dortmunder Comic-Streit

Dortmunder Comic-Streit
Claus Daniel Herrmann, Ika Sperling, Sophia Gloe und Dr. Alexander Braun bildeten die Jury beim 20. Dortmunder Comic-Streit. - Bild: Richard Schneider

Beim 20. Dortmunder Comic-Streit wurden am 4. September 2025 sechs Comic-Neuerscheinungen präsentiert und diskutiert.

Neben der Stammbesetzung Sophia Gloe (ehemals Paplowski) und Dr. Alexander Braun waren diesmal dabei: die gegenwärtige Dortmunder „Stadtbeschreiberin“ und Comic-Zeichnerin Ika Sperling sowie der Comic-Zeichner und Illustrator Claus Daniel Herrmann.

Nach Art des aus dem Fernsehen bekannten Literarischen Quartetts wurden sechs Bände vorgestellt, in denen es um die Themen Kunst, um Vampire und Fotografie, um das Leben an sich und um Selbstoptimierung ging. Dies bot wie immer Anlass sowohl für harmonische Diskussionen als auch für heiter-lebhafte Debatten.

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Kurz vor Beginn: Schauraum-Kurator Dr. Alexander Braun wird verkabelt und Schauraum-Leiterin Sophia Gloe strahlt ihren Vermählten an, dessen Nachnamen sie angenommen hat. – Bild: Richard Schneider

(1) Guy Delisle – Für den Bruchteil einer Sekunde

In Für den Bruchteil einer Sekunde porträtiert Guy Delisle – selbst gelernter Trickfilmzeichner – einen Pionier des Kinos, der von der Geschichte zu Unrecht vergessen wurde. Lange vor Thomas Alva Edison und den Brüdern Lumière hat Eadweard Muybridge mittels Film die Zeit angehalten. Er wurde zu einem der berühmtesten Fotografen seiner Zeit.

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Das Duo Paplowski & Braun bzw. ab sofort Gloe & Braun bietet seit Jahren der Dortmunder Comic-Szene eine Bühne, von der andere Großstädte nur träumen können. – Bild: Richard Schneider

(2) Olivier Schrauwen – Sonntag

Der international gefeierte Comic-Autor Olivier Schrauwen beschreibt in Sonntag für einen Tag den Gedankenstrom von Thibault. Dieser außergewöhnlich durchschnittliche Mittdreißiger verbringt eine gefühlte Ewigkeit – tatsächlich aber genau einen Sonntag – alleine in seinem Haus. Thibaults spektakulär unspektakulärer Sonntag steht Olivier Schrauwens spektakulärer Zeichen- und Erzählkunst gegenüber – eine einzigartige Ästhetik, Tragik und Komik.

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Aus Köln war Claus Daniel Herrmann angereist, der als Illustrator arbeitet und auch eigene Comics entwickelt und zeichnet. – Bild: Richard Schneider

(3) Tara Booth – Überwindungen

Rosenblätter, die von Bettwanzen ablenken sollen, ein Lasso aus Haaren im Abfluss, die Anstrengung beim Wechseln des Bettbezugs, das Klarkommen mit einer Essstörung: Selten wurden die kleineren und größeren Sorgen des Lebens so unerschrocken und komisch dargestellt wie in Tara Booths Überwindungen. Das Buch ist ein liebevoll-bissiges Manifest für mehr Selbstliebe und die Normalisierung eines unoptimierten Lebens.

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Ika Sperling ist ebenfalls vom Fach. Die aktuelle Dortmunder „Stadtbeschreiberin“ ist eine versierte Comic-Zeichnerin. – Bild: Richard Schneider

(4) Luz – Zwei weibliche Halbakte

1919 malt der expressionistische Künstler Otto Mueller „Zwei weibliche Halbakte“. Das Bild wird zum Zeugen des Aufstiegs und der Machtübernahme des Nationalsozialismus, der Diffamierung moderner Kunst als „entartet“, von Verfemung, Verzweiflung, Krieg.

Mit dem Comic gelingt Luz etwas Außergewöhnliches: Als Leser sieht und hört man ausschließlich das, was sich unmittelbar vor Otto Muellers Gemälde abspielt. Eine ebenso ungewöhnliche wie interessante Perspektive für ein Zeit- und Gesellschaftspanorama.

Dieser Comic erhielt die beste Bewertung der Jury.

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Ab Mitte November 2025 präsentiert Alexander Braun im Schauraum Comic + Cartoon seine neue Ausstellung „Lucky Luke 80 – Das Artwork“. Denn der Cowboy, der schneller zieht als sein Schatten, kann 2026 tatsächlich schon auf acht Jahrzehnte seines Lebens zurückblicken. – Bild: Richard Schneider

(5) Ayse Kling – Der Zahn

Urkomisch und mit lebendigem Strich erzählt Ayse Klinge von der turbulenten Freundschaft zwischen einem Mädchen mit Vampirphobie und einer Vampirin. Dabei gelingt ihr ein leichtfüßiges Plädoyer für die offene Begegnung mit dem vermeintlich Andersartigen.

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Auch dieser Comic-Streit wurde aufgezeichnet und kann später bei YouTube abgerufen werden. – Bild: Richard Schneider

(6) Robert Shore – Blow Up!

Was macht ein Urinal, eine Dose Suppe, einen eingelegten Hai oder eine an die Wand geklebte Banane zu einem Kunstwerk? Blow Up! erzählt über einen Zeitraum von 100 Jahren die Geschichte revolutionärer Künstler – von Marcel Duchamp bis Andy Warhol, Yayoi Kusama, Jean-Michel Basquiat, Marina Abramovic, Damien Hirst, Kara Walker, Tracey Emin, Maurizio Cattelan und vielen anderen.

Dieser Comic erhielt unter den vorgestellten Bänden die schlechteste Bewertung.

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Der an die Stadt- und Landesbibliothek angegliederte „schauraum comic + cartoon“ gegenüber dem Hauptbahnhof ist Dreh- und Angelpunkt der vielfältigen Comic-Aktivitäten der Stadt. – Bild: Richard Schneider

Richard Schneider
mit Textmaterial des Schauraums Comic + Cartoon

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