Telekom-Chef Obermann zum „Sprachpanscher des Jahres“ gekürt

Der im Jahre 1997 gegründete Verein Deutsche Sprache e. V. (VDS) ist der größte Sprach- und Kulturverein in Deutschland. Seit 1998 vergibt er einen „Preis“ für den „Sprachpanscher des Jahres“. Kandidaten für den Titel „Sprachpanscher des Jahres“ sind zumeist bekannte Persönlichkeiten und öffentliche Einrichtungen, die mit besonderen Fehlleistungen im Umgang mit der deutschen Sprache aufgefallen sind. Im Jahr 2011 ist René Obermann (Bild rechts), Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom AG, von den Mitgliedern des VDS zum „Sprachpanscher des Jahres“ ernannt worden.

„Die Deutsche Telekom hat ihre Kunden über Jahre hinweg mit englischen Sprachimporten verärgert. Der Besuch der Netzseiten der Firma ist eine Schocktherapie im Horrorkabinett der deutschen Sprache“, so Walter Krämer, Vorsitzender des VDS in Dortmund. Nahezu alle Tarife hätten englische Namen: von „Weekend Flats“ über „Entertain Comfort“ oder „Call & Surf Comfort“ und „Free Call International Advanced“ bis hin zu „Call & Surf Mobile Friends“. „Jugendliche lockt die Telekom mit der CombiCard Teens und den Telekom Extreme Playgrounds“, erklärt Krämer.

4.764 Mitglieder des VDS beteiligten sich an der Abstimmung. Dazu gehörten auch Prominente wie Hape Kerkeling, Dieter Hallervorden, Reinhard Mey, Nina Ruge oder Jürgen von der Lippe. 1.832 wählten René Obermann bzw. die Deutsche Telekom zum „Sprachpanscher“. Platz zwei belegte Bundesfamilienministerin Schröder (1.280 Stimmen). Begründet wird dies durch Anglizismen wie „equal pay day“. Auf Platz drei landete der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD), Nikolaus Schneider (992 Stimmen). Bemängelt wird bei der EKD eine wachsende Zahl von Anglizismen in kirchlichen Veranstaltungstiteln. Nachfolgend einige Beispiele: „LutherActivities“, „Wellness für die Männerseele“ oder „marriage weeks“. Auf Platz vier und fünf kamen der Vorsitzende der Deutschen Shell Holding GmbH, Peter Blauwhoff (396 Stimmen), und Frank-Jürgen Weise, Chef der Bundesagentur für Arbeit (264 Stimmen).

Somit tritt der 48-jährige René Obermann mit der zweifelhaften Auszeichnung in die Fußstapfen seines Vorgängers Ron Sommer. Letzterem wurde im Jahr 1998 u.a. für „Sunshine-“ und „Moonshine“-Tarife der Negativpreis verliehen. Der VDS begründete dies damit, dass das Unternehmen „zutiefst kundefeindlich und menschenverachtend“ sei, weil die deutsche Bevölkerung zum größten Teil dem Englischen nicht mächtig sei.

Die Deutsche Telekom in Bonn wies die Kritik zurück. Insbesondere die Telekommunikationsbranche werde nun mal von Begriffen wie „Social Media“, „Smartphones“, „Apps“ und „Cloud“ dominiert. „Diese Begriffe haben sich nicht nur im allgemeinen Sprachgebrauch durchgesetzt, sondern finden sich zum Teil mittlerweile auch in namhaften Nachschlagewerken“, sagte der Pressesprecher der Telekom Christian Fischer. Da es bei der Telekom um ein internationales Unternehmen mit internationalen Produkten handle, müssen die Produkte auch international bezeichnet werden. „Es ergibt für uns keinen Sinn, etwa an Flughäfen mit internationalem Publikum, dort ein Mobilfunk-Angebot mit einem deutschen Produkt-Namen zu bewerben“, so Fischer.

Mit der „Auszeichnung“ für besonders bemerkenswerte sprachliche Fehlleistungen im Umgang mit der deutschen Sprache will der Verein für Deutsche Sprache die deutsche Gesellschaft nach eigenen Angaben dazu bringen, mehr Verantwortung für ihre Sprache zu übernehmen.

Den Titel „Sprachpanscher des Jahres“ tragen folgende Persönlichkeiten:

  • 1997: Modeschöpferin Jil Sander für den Text:
    „Ich habe vielleicht etwas Weltverbesserndes. Mein Leben ist eine giving-story. Ich habe verstanden, dass man contemporary sein muss, das future-Denken haben muss. Meine Idee war, die hand-tailored-Geschichte mit neuen Technologien zu verbinden. Und für den Erfolg war mein coordinated concept entscheidend, die Idee, dass man viele Teile einer collection miteinander combinen kann. Aber die audience hat das alles von Anfang an auch supported. Der problembewusste Mensch von heute kann diese Sachen, diese refined Qualitäten mit spirit eben auch appreciaten. Allerdings geht unser voice auch auf bestimmte Zielgruppen. Wer Ladyisches will, searcht nicht bei Jil Sander. Man muß Sinn haben für das effortless, das magic meines Stils.“
  • 1998: Ron Sommer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn AG, u.a. wegen der Werbung des Unternehmens mit „Sunshine-“ und „Moonshine-Tarifen“, „Short-Distance-Call“, „City-Call“ und „German-Call“
  • 1999: Bahn-Chef Johannes Ludewig wegen Bezeichnungen wie „Service Point“, „ticket counter“ und „db-lounge“
  • 2000: Andreas Heldrich, Rektor der Ludwig-Maximilians-Universität München, wegen der „Anbiederung der deutschen Hochschullandschaft an das amerikanische System“ (u.a. für „Masterstudiengänge“ und „Credit-Point-Systeme“ sowie den Vorschlag, die Fakultäten und Fachbereiche in „departments“ umzubenennen)
  • 2001: Wolfgang H. Zocher, Vorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Bestatter, der mitverantwortlich ist für die Bezeichnung des Ausbildungsberufes des „Funeral masters“, „eternity“ als Name für eine jährlich stattfindende Fachmesse sowie „peace box“ anstatt „Sarg“
  • 2002: Post-Chef Klaus Zumwinkel wegen der Post-Ausdrücke wie „One stop shopping“, „Global mail“, „Mailing Factory“, „Fulfillment“, „Stampit“, „Postage point“, „Freeway“, „Easytrade“, „Funcard mailing“, „Travel service“ und „Speed booking“
  • 2003: Gerhard Mayer-Vorfelder, Präsident des Deutschen Fußballbundes, wegen der Vermischung der deutschen Sprache mit Englisch (Beispiele: „Home and Away Shirts“, „Signature Shirts“, „Reversible Tops“)
  • 2004: Markus Schächter, Intendant des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF), wegen Bezeichnungen im Programm wie „Kiddie contest“, „Webcam Nights“ oder Sendungen wie „History“ und „Nightscreen“
  • 2005: Herbert Beck, Direktor des Frankfurter Städel-Museums und Erfinder des „Goethe-Jumps“, wegen der Begriffe „Art after Work“ mit anschließendem „Get-together“ inklusive „Member’s Night“ in der „Holbein’s Lounge“, und am „Family Day“ gibt es einen „Art Talk for Families“
  • 2006: Günther Oettinger, Ministerpräsident von Baden-Württemberg, für seine Degradierung des Deutschen zur „Feierabendsprache“: „Englisch wird die Arbeitssprache. Deutsch bleibt die Sprache der Familie und der Freizeit, die Sprache, in der man Privates liest.“
  • 2007: Bahn-Chef Hartmut Mehdorn für sprachliche Entgleisungen bei der Deutschen Bahn (an deutschen Bahnhöfen gibt es „Counter“ statt „Schalter“ sowie einen „Service Point“ anstatt einer „Auskunft“)
  • 2008: Klaus Wowereit, Regierender Bürgermeister von Berlin, für die Werbekampagne be Berlin sowie Werbefahnen am Tag der Deutschen Einheit am Brandenburger Tor mit Texten wie „Power for Peace – Power for unity – Power for understanding“
  • 2009: Deutscher Turner-Bund für „das gedankenlose Übernehmen“ englischer Bezeichnungen wie „Slacklining“, „Gymmotion“, „Speedjumping“ oder „Speedminton“ sowie für Veranstaltungen mit dem Namen „Feel Well Woman“ oder „Sport for Fun 2010“
  • 2010: Fritz Pleitgen, Vorsitzender der Geschäftsführung der Ruhr.2010 GmbH, wegen „denglischer Imponier-Vokabeln“ rund um die Kulturhauptstadt Essen 2010 (freiwillige Helfer wurden etwa als „volunteers“ bezeichnet, ein Kooperationsprojekt mit den europäischen Partnerstädten heißt „Twins“, Städte der Metropole Ruhr werden im Programm als „Local Heroes“ bezeichnet)
  • 2011: René Obermann, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom, wegen Angebotsbezeichnungen wie „Call & Surf“, „Comfort“, „Entertain Installation Services“, „Business Flat Premium“ und „Shared Cost International“; der Besuch der Netzseiten der Firma sei eine Schocktherapie im Horrorkabinett der deutschen Sprache

[Text: Jessica Antosik. Quelle: vds-ev.de, 26.08.2011; welt.de, 26.08.2011; stern.de, 26.08.2011; wikipedia.de.]