Illegaler Freizeitspaß in China: Übersetzung und Untertitelung von japanischen Animes und Hollywood-Filmen

Japanisches Anime mit englischen UntertitelnEin junger Mann verspürte vor kurzem eine seltsame Mischung aus Emotionen, als er seine Freunde dabei beobachtete, wie sie bei einem gemeinsamen DVD-Abend einen aktuellen japanischen Animationsfilm anschauten. Denn alle chinesischen Untertitel wurden von ihm und seinen Team-Mitgliedern erstellt.

Der 22 Jahre alte Büroarbeiter aus Shanghai war stolz auf die harte Arbeit und seinen Nickname „Yoshiko„, der am Ende des Videos auftauchte, das von zehntausenden Menschen gesehen werden wird. Aber er wagte es nicht, diesen Moment der Freude mit seinen Bekannten und Verwandten zu teilen, denn bei dem Video handelt es sich um eine Raubkopie.

Mehrere Hundert Gruppen in ganz China

Yoshiko gehört zu den tausenden Untertitel-Übersetzern, die sich in hunderten Gruppen über China verstreut organisieren – von den Netizens werden sie oft als die „stillen Helden“ gepriesen, die sie mit raschen Übersetzungen der neuesten japanischen Animationsfilme oder Hollywood-Blockbuster und TV-Serien versorgen, ohne dafür auch nur einen Yuan Geld zu sehen.

Die Filmfreunde zu Hause haben weder eine Ahnung von der eigentlichen Identität der Übersetzer, noch wissen sie über ihre Freude daran, ihre Sprachkenntnisse zu teilen.

Übersetzer bleiben aus Angst vor Strafe anonym

Andererseits fürchten sich die Übersetzer auch davor, für die Aktivitäten in diesem „Graubereich“ bestraft zu werden. Viele ziehen es daher vor, im Verborgenen zu bleiben und zu arbeiten, da sie befürchten, eines Tages Besuch von der Polizei zu bekommen, die sie wegen Übersetzungen für Raubkopien belangen würde.

In China ist das Übersetzen von Untertiteln zwar nicht strafbar, dennoch taucht immer wieder die Frage auf, ob die Übersetzer bei ihren Aktivitäten nicht die Rechte der Produzenten verletzten.

„Die erste Regel – nun ja, eigentlich gibt es keine anderen spezifischen Regeln in unserer Gruppe – ist die, dass niemand über unsere Gruppe redet“, sagt Sunny Wang, ein 20-jähriger Universitätsstudent und Mitglied einer „geheimen“ Gruppe, von der er sagt, dass sie David Finchers „Fight Club“ und einige amerikanische TV-Serien übersetzt hat. „Es ist eigentlich ein Witz. Aber es ist nach wie vor das Glaubensbekenntnis unserer Gruppe, dass wir unsere Aktivitäten geheim halten, denn niemand möchte die Aufmerksamkeit der Regierung oder der Film-Produzenten erregen. Wir möchten keinen Ärger wegen Urheberrechtsverletzungen“, sagt Wang.

„In der echten Welt würde ich auch nicht verraten, dass ich ein Untertitel-Übersetzer bin“, stößt Yoshiko ins gleiche Horn. Seine Gruppe mit dem Decknamen „DYMY“ hat vor acht Jahren angefangen und zählt 30 Mitglieder.

Die meisten Übersetzer sind im wirklichen Leben Studenten oder Büro-Arbeiter mit einer Leidenschaft für Animations- oder Hollywoodfilme, und sie müssen natürlich auch die entsprechende Zeit haben. Einige haben ein Studium in Japanisch oder Englisch abgeschlossen, die anderen haben sich die Sprachen selbst beigebracht.

Anime mit Untertiteln

Ganz normale Leute, die einem gemeinsamen Hobby nachgehen

„Es ist ein Klischee, dass die Übersetzer bewegungsscheue junge Männer und Frauen sind. In Wirklichkeit sind das ganz normale Leute, die sich versammeln, um einem gemeinsamen Hobby nachzugehen“, sagt ein Mann mit dem Vornamen Yi. Er ist Gründer der Untertitel-Gruppe „Shuguang“, die ungefähr 150 Mitglieder zählt. Die Mitglieder feiern regelmäßige Partys an den Wochenenden, und einige von ihnen nutzen natürlich auch die Möglichkeit zur Kontaktaufnahme, wodurch es in der Gruppe mittlerweile etliche Pärchen gibt, sagt Yi.

China verschärft Gesetze gegen Urheberrechtsverletzungen

Obwohl für die Gruppen der Spaß im Vordergrund steht, sind Sorgen über Urheberrechtsverletzungen stets präsent, denn China verschärft die Gesetze über Raubkopien und hat bereits die meisten größeren Gratis-Download-Webseiten schließen lassen. „Untertitel-Gruppen streben danach, dass mehr und mehr Leute sie kennen lernen, aber offensichtliche Werbung können sie natürlich trotzdem nicht machen. Wenn ich heute vor die Medienkameras treten würde, müsste ich morgen vielleicht schon vor Gericht erscheinen“, sagt Yoshiko.

Bislang wurde noch niemand verurteilt

Yi sagt, er hat bis jetzt noch nichts von Übersetzern gehört, die für ihre Arbeit hinter Gitter gegangen wären, mit Ausnahme von jenen, die mit pornografischen Videos arbeiten. „Wir machen diese Untertitel einfach nur deshalb, weil wir lernen und neue Freunde kennenlernen möchten oder weil wir die entsprechenden TV- oder Kinoformate mögen. Die wenigsten von uns denken über das Urheberrecht nach.“

Die Zukunft dieser Gruppen ist derzeit fraglich, da viele größere Video-Webseiten die Rechte mittlerweile direkt von den japanischen und amerikanischen Produzenten kaufen, sagt Yi. Einige von ihnen sagen, sie seien dazu autorisiert, die offiziellen Untertitel zu verwenden. „Eines Tages könnten diese Untertitel-Gruppen verschwinden, da sie nicht länger gebraucht werden, wenn die Leute direkt die offiziell übersetzten Versionen ansehen können“, sagt Yi.

[Text: China Internet Information Center (CIIC). Quelle: german.china.org.cn. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung von Luo Xu, Leiter der deutschen Abteilung des CIIC, Beijing.]