Ausstellung in Oldenburg: „Komm, goldener Pfau!“ Jiddisch neu entdecken

Goldener Pfau
"Di goldene pave" - Bild: Frauke Proschek (LBO)

Die Landesbibliothek Oldenburg zeigt eine Ausstellung zur jiddischen Sprache und Literatur, die vom 30. Mai bis zum 20. Juli 2024 kostenfrei besucht werden kann.

Den Eröffnungsvortrag hielt Prof. Dr. Roland Gruschka von der Hochschule für jüdische Studien in Heidelberg zum Thema „Von den ältesten jiddischen Glossen in die Weiten des Internets – Ein Spaziergang durch tausend Jahre jiddischer Sprache und Literatur“.

Der Vortrag bot eine Einführung in die Geschichte des Jiddischen und seiner Literatur. Anhand von Beispielen wurde gezeigt, wie die besondere Situation der aschkenasisch-jüdischen Minderheit in Europa den Anstoß zur Entstehung einer neuen Sprache, dem Jiddischen, gab, und welche sprachlichen Erscheinungen das Jiddische besonders machen.

Auch die Rolle der in dieser Sprache verfassten Literatur, einflussreicher Werke wie z. B. der Zenerene, und prägender Autoren wie Mendele Mojcher-Ssforim (1835-1917) wurde beleuchtet. Zum Abschluss wurde ein kurzer Ausblick auf Entwicklungstendenzen in der jüngsten Gegenwart gegeben.

Vielfalt des Jiddischen

Die Ausstellung widmet sich dem Jiddischen in zwei räumlich getrennten Bereichen. Der erste Teil thematisiert einführende und allgemeine Aspekte des Jiddischen wie die Sprachgeschichte, Sprichwörter, jiddisches Vokabular im Deutschen, Witz und Musik. Dabei werden häufige Vorurteile gegenüber dem Jiddischen problematisiert und für den Umgang mit Jiddismen im Deutschen sensibilisiert.

In der Hauptausstellung finden Sie eine chronologische Darstellung von einschlägigen, oft wunderschön illustrierten Werken der jiddischen Literatur. Die Schriftkultur des Jiddischen schöpft aus einer mehr als 750 Jahre alten Geschichte und reicht in der Ausstellung vom Wormser Machsor von 1272 bis hin zu einem jiddischen Gedicht, das den Terrorangriff auf Israel vom 7. Oktober 2023 reflektiert.

Übersetzungen von klassischer und wissenschaftlicher Literatur ins Jiddische belegen die Reichweite und den Anspruch des Jiddischen als eigenständige Sprache.

Salomo Birnbaum in seiner Praktischen Grammatik der Jiddischen Sprache (1915):

Es ist merkwürdig, wie wenig man in der nichtjüdischen Welt vom jüdischen Volk weiß. Dies ist heute nicht anders als in all den zweitausend Jahren, da die Juden mit den Völkern des europäischen Altertums und dann mit denen zusammentrafen, die erst im Mittelalter entstanden oder hervortraten.

Wussten Sie, …

  • dass es im Jahr 1920 mehr Muttersprachler des Jiddischen als des Englischen in New York gab?
  • dass Frida Kahlos Ehemann Diego Rivera ein jiddisches Buch illustrierte?
  • dass der Übersetzer des ersten vollständigen jiddischen Tanachs aus Wittmund (Ostfriesland) kommt?
  • dass der Erfinder der Litfaßsäule auch jiddische Plakate gedruckt hat?
  • dass es jiddische Tangomusik gibt?
Goldener Pfau
Darstellung des goldenen Pfaus – Bild: Frauke Proschek (LBO)

Der goldene Pfau

Der goldene Pfau oder auf Jiddisch di goldene pave ist ein mythologischer Vogel, der ursprünglich aus einem jiddischen Volkslied stammt. Die goldene pave ist vielfach in jiddischen Gedichten, u. a. von Anna Margolin, Moyshe-Leyb Halpern und besonders von Itzik Manger, besungen worden.

„Die goldene pave ist ein seltener Vogel. Ihr könnt die ganze Welt bereisen und werdet ihr nicht begegnen. Ihr werdet sie erst antreffen, wenn ihr euch mit dem jiddischen Volkslied vertraut macht. Dort ist sie geboren“. – Itzik Manger, Shriftn un proze (1980)

Jüdische Rituale

Die Präsentation von verschiedenen Ritualgegenständen aus der Jüdischen Gemeinde zu Oldenburg ermöglicht ein vertieftes Kennenlernen von jüdischem Leben und dessen Traditionen. Wissen Sie, wann das Schofarhorn geblasen wird?

Jiddische Sammlung in Oldenburg

In die Landesbibliothek Oldenburg gelangte 1979 durch Tausch mit der Königlichen Bibliothek zu Kopenhagen eine jiddische Sammlung von etwa 200 Bänden. Sie enthält vor allem moderne jiddische Literatur des 20. Jahrhunderts.

Plakat Jiddisch-Ausstellung in Oldenburg

Begleitprogramm zur Ausstellung

  • פֿאַרן עמוד | Vor dem Schrein: Zeitschriften der jiddischen Avantgarde
    Vortrag von Dr. des. Daria Vakhrushova (LMU München) am 20. Juni 2024, 19:00 Uhr.
    Die politische, soziale, technische und wissenschaftliche Modernisierung, die Erschütterungen des Ersten Weltkriegs, die Hoffnungen der Oktoberrevolution und der trotz andauernder Ausgrenzung und Pogromen bestehende Glaube an die Möglichkeit einer gleichberechtigten zivilen und kulturellen Zugehörigkeit zur Mehrheitsgesellschaft ließen jiddische Künstler und Intellektuelle in Osteuropa nach neuen Lebens- und Kulturentwürfen suchen, die ihnen eine Verschränkung des Jiddisch-Partikularen mit internationalen avantgardistischen Verfahren ermöglichten. Die Spuren dieser Suche werden auf den Seiten der kleinen jiddischen Zeitschriften aufbewahrt.
    Yung-yidish (Łódź), Khalyastre [Bande] (Warschau, Paris), Albatros, Di vog [Die Waage] (Warschau), Milgroym [Granatapfel] (Berlin) waren wichtige Diskussionsforen, welche die Vernetzung der über die ganze Welt verstreuten Autoren und Künstler sicherten. Dort wurden unterschiedliche Visionen für eine moderne jiddische Kultur vorgestellt und diskutiert.
    Wie weit sollte man den jüngsten Kunstmoden folgen? Wie sehr sollte man sich an die eigene kulturelle und religiöse Tradition halten? Ist eine säkulare jiddische Kultur ohne jüdische Tradition möglich? Den künstlerischen, poetischen und publizistischen Antworten auf diese Grundsatzfragen in jiddischen Kunstzeitschriften widmet sich der Vortrag.
  • Wenn die Mischpoke mauschelt. Antisemitismus in der Sprache
    Vortrag von Dr. Ronen Steinke (Süddeutsche Zeitung) am 10. Juli 2024, 19:00 Uhr.
    Mischpoke, mauscheln, schachern – jiddische Wörter wie diese sind Teil der deutschen Alltagssprache geworden. Doch ihre Bedeutung ist oft negativ besetzt. Der Journalist Ronen Steinke erklärt, wie vormals neutrale Bezeichnungen judenfeindlich aufgeladen wurden und wirbt für sprachliche Sensibilität.
  • Jiddisches Filmprogramm in Kooperation mit hakOLnoa und dem Cine k (jeweils um 19:30 Uhr)
    3. Juni: Yentl (1983) von Barbara Streisand
    10. Juni: SHTTL (2022) von Ady Walter
    24. Juni: Menashe (2017) von Joshua Z. Weinstein
    1. Juli: Lang ist der Weg (1947/48) von Herbert B. Fredersdorf/Marek Goldstein
    2. Juni, 16:30 Uhr: Jiddisches Kinderbuch-Kino im Cine k mit Maja Harel
    13. Juli, 20 Uhr: Klezmer-Konzert mit der Band KlezmArized im Wilhelm 13
  • Jiddisch-Sprachkurs für Anfänger mit Norbert Arzberger, jeweils samstags von 10.30 bis 12.00 Uhr im Vortragsraum der Landesbibliothek.
    8. Juni: Alef-beys (Alphabet)
    15. Juni: Transkription und Erschließung einfacher Texte
    22. Juni: Grundlagen der jiddischen Grammatik
    Die Teilnahme ist kostenfrei, Anmeldung unter: arznor@web.de
  • Führungen mit Kurator Stefan Leicht
    am 11.06., 18.06., 25.06., 09.07. und 16.07. Treffpunkt ist jeweils um 16:30 Uhr im Foyer.
    Individuelle Führungen von Gruppen ab 10 Personen sind nach Absprache möglich. Anmeldung unter: lbo@lb-oldenburg.de
    Der Eintritt ist frei

red