Betreuung von Praktikanten: Nervige Zusatzbelastung oder wertvolle Nachwuchsarbeit?

Das Freiburger Übersetzungsbüro Peschel nimmt bereits seit zehn Jahren regelmäßig Praktikanten auf. Für deren Betreuung ist Ellen Göppl zuständig. Im nachfolgenden Beitrag schildert Sie die Erfahrungen, die man im Breisgau mit Praktikanten gemacht hat. Vielleicht fühlt sich der eine oder andere durch diesen Artikel motiviert, auch einmal für einige Monate Studierende aufzunehmen und in die tägliche Berufspraxis einzuarbeiten. Denn, so Göppl: „Im Normalfall ist dies für beide Seiten eine Bereicherung.“

Ellen Göppl (rechts) mit Praktikantin
Autorin Ellen Göppl (rechts) im Gespräch mit einer Praktikantin. Das mittlere Foto zeigt sie mit Praktikantin Irmela Obermann bei Vorbereitungen für einen Messeauftritt und das untere im Gespräch mit Kunden

Wir im Übersetzungsbüro Peschel haben nicht nur das Gefühl, einen wichtigen Beitrag zur Ausbildung des Nachwuchses zu leisten und eine angemessene Berufsphilosophie weiterzugeben, sondern bekommen auch tatkräftige Unterstützung bei Routineaufgaben, wodurch das angestammte Team teilweise entlastet wird. Außerdem macht es einfach Spaß, mit ganz unterschiedlichen Menschen zusammenzuarbeiten. Da wir auch Dolmetscherteams zusammenstellen, erhalten Studenten manchmal sogar die Chance, bei einer Konferenz das Simultandolmetschen aus allernächster Nähe zu verfolgen.

Die Praktikanten erhalten Einblick in das „echte“ Berufsleben und lernen allein im administrativen Bereich vieles, was an den Hochschulen nicht vermittelt wird. Darüber hinaus arbeiten sie auch mit Textsorten (von der Geburtsurkunde bis zur knapp formulierten Powerpoint-Präsentation), die sie vorher noch nie übersetzt haben.

Die Nachfrage nach Praktikumsplätzen in der Übersetzerbranche ist groß und wir erhalten wesentlich mehr Bewerbungen als wir Plätze anbieten können. Im Allgemeinen beschäftigen wir parallel eine deutsch- und eine englischsprachige Praktikantin für etwa 4 bis 6 Monate.

Aber was bedeutet es überhaupt, einen Praktikanten zu betreuen und wie viel Aufwand erfordert es? In der Hauptsache stellen sich die folgenden drei Fragen:

  • Was erwarten wir von dem Praktikanten?
  • Was erwartet der Praktikant von uns?
  • Welche rechtlichen Aspekte sind zu beachten?

Was erwartet das Übersetzungsbüro vom Praktikanten?

Was man selbst von dem Praktikanten erwartet, sollte schon in der Ausschreibung festgelegt oder spätestens in einem ersten Gespräch geklärt werden.

Der Praktikant sollte in der Lage sein, zumindest einfachere Fachtexte so zu übersetzen, dass sich der Korrekturaufwand in einem vertretbaren Rahmen hält. Aus diesem Grund nehmen wir in unserem Büro inzwischen ausschließlich Studenten (im Hauptstudium) – oder ggf. Absolventen – des Studienganges Übersetzen/Dolmetschen auf, denn Anglisten, Romanisten usw. fehlt es unserer Erfahrung nach an dem spezifischen „Handwerkszeug“, um sich in ein mehr oder weniger neues Fachgebiet einzuarbeiten und sich in der Zielsprache genügend vom Ausgangstext zu lösen. Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel!

Wünschenswert ist, dass der Praktikant bereits etwas Erfahrung im Umgang mit Kunden hat – z.B. durch frühere Praktika oder Studentenjobs, damit er Telefonanrufe einigermaßen routiniert entgegennehmen oder Kunden im Büro begrüßen und nach und nach in einem gewissen Rahmen auch beraten kann. Bei der Aufgabenzuweisung sollte man ruhig kreativ vorgehen, je nach Talent kann man auch Studenten an der Verfassung von Werbebriefen oder der Ermittlung neuer Kundengruppen mitwirken lassen. Normalerweise wird der Nachwuchs neue Herausforderungen zu schätzen wissen!

Zu allgemeinen Regeln und Abläufen wie Pausenregelung, Kleidung, private Nutzung von Internet usw. schicken wir den Praktikanten schon vorab ein Infoblatt. Was genau auf einem solchen Blatt steht, hängt auch davon ab, ob die Praktikanten üblicherweise aus derselben Stadt rekrutiert werden können oder von außerhalb – vielleicht sogar aus dem Ausland – kommen.

Gespräche über Erwartungen und Anforderungen sollten mit den vorübergehenden Teammitgliedern nicht nur am Anfang und Ende des Praktikums, sondern auch zwischendurch stattfinden, um Fortschritte zu kontrollieren und sich gegenseitig Feedback zu geben.

Besonders wichtig ist es für die festen Mitarbeiter bzw. den Einzelübersetzer, genügend Zeit für die Betreuung und vor allem die Korrektur der Übersetzungen einzuplanen. Anfangs kann eine Korrektur von Fachtexten ähnlich lange dauern wie die eigene Übersetzung desselben Textes – im Laufe des Praktikums sollte es dann natürlich schneller gehen. Vom Praktikanten zu übersetzende Texte sind möglichst entsprechend der Vorkenntnisse auszuwählen. In jedem Fall ist es praktisch, eine Art „To-Do-List“ für die Praktikanten zu führen, z. B. auch darüber, welche Glossare oder Adresslisten in der nächsten Zeit zu überarbeiten sind.

Was erwartet der Praktikant vom Übersetzungsbüro?

Ellen Göppl mit Praktikantin auf MesseÜblicherweise wird er das im Motivationsschreiben erläutern – und üblicherweise lautet die Erwartung „… möchte ich nun Erfahrungen in der Übersetzerpraxis sammeln.“ Er möchte live erfahren, wie es ist, tatsächlich als Übersetzer zu arbeiten, d. h. er darf auch ruhig in steigendem Maße „echtem“ Termindruck ausgesetzt werden und lernen, dass selbst der „Traumberuf“ nicht jeden Tag Spaß, sondern oft enge Deadlines, ungeduldige Kunden (oder auch Kollegen) und jede Menge Verwaltungsarbeit bedeutet.

Für den einen oder anderen dürfte es auch etwas ernüchternd sein, dass leider nicht alle Ausgangstexte gut geschrieben sind – oder einfach langweilig. Fairerweise wird ein Praktikant nicht nur zur Adresseingabe, zum Eintüten von Mailings oder gar zum Kaffeekochen herangezogen, sondern bekommt ausreichend Gelegenheit, selbst Übersetzungen anzufertigen und sich Angebotserstellung und Abrechnung erklären zu lassen.

Von der tatsächlichen Aufgabenverteilung und natürlich auch der Qualifizierung des Praktikanten hängt nicht zuletzt auch seine Vergütung ab. Man sollte sich gut überlegen – und wird mit der Zeit auch herausfinden – wie viel Arbeit, für die man sonst andere Aushilfen oder freie Mitarbeiter hätte bezahlen müssen, Praktikanten tatsächlich erledigen, und wie viel Arbeitszeit man für Erklärungen, Korrekturen und Betreuung selbst hineinstecken muss. Je länger ein Praktikum dauert, desto eher wird ein Student – nach der Einarbeitungsphase – selbstständig arbeiten können und auch darauf angewiesen sein, von der Vergütung zumindest die Miete zahlen zu können.

Zur Betreuung gehört nicht unbedingt nur die professionelle Einarbeitung, denn vor allem bei auswärtigen Praktikanten ist man möglicherweise auch persönlicher Ansprechpartner für verschiedene Fragen des alltäglichen Lebens. Gerade ausländische Studenten sind oft noch sehr jung, weshalb neben bzw. nach der Arbeit idealerweise ein bisschen Zeit für persönliche Gespräche oder vielleicht sogar gemeinsame Aktivitäten zur Verfügung stehen sollte.

Ich habe selbst vor einigen Monaten mit einer englischen Praktikantin gearbeitet, die in der ersten Zeit einen unmotivierten und verschlossenen Eindruck machte. In einem persönlichen Gespräch unter vier Augen stellte sich dann heraus, dass sie extrem schüchtern war und sich außerdem für ihr Deutsch schämte – obwohl es dafür gar keinen Anlass gab. Nachdem ich ihre Bedenken zerstreuen konnte, verbesserte sich unser Verhältnis sofort und sie wurde viel motivierter und gesprächiger. Dieses Erlebnis zeigt ganz gut, dass es nicht viel „kostet“, jemanden zu motivieren und sich diese Motivation für beide Seiten auszahlt.

Nichtsdestotrotz sollte für Praktikanten aber auch klar sein, dass das Stammteam während der Arbeitszeit so wenig wie möglich unterbrochen werden sollte und Fragen nicht ständig zwischendurch gestellt werden können.

Rechtliche Aspekte

Ellen Göppl im Gespräch mit einer KundinUm sich selbst und seine Kunden zu schützen, sollte man mit Praktikanten unbedingt eine Geheimhaltungsvereinbarung abschließen und ggf. eine Kundenschutzklausel in den Praktikantenvertrag aufnehmen. Schließlich erlangt der Praktikant nicht nur Einblicke in kundenspezifische Unterlagen, sondern bekommt auch mit, für wen Sie zu welchen Konditionen arbeiten.

Ein Praktikantenvertrag muss nicht unbedingt so ausführlich sein wie ein Arbeitsvertrag, sollte aber Angaben zur Dauer des Praktikums, Vergütung, Arbeitszeiten und Aufgabengebiet enthalten. Je länger das Praktikum dauert, desto wichtiger werden auch  Angaben zur Urlaubregelung und Verhalten im Krankheitsfall.

Sofern es sich nicht um ein unvergütetes Kurzpraktikum handelt, muss für den Praktikanten eine Gehaltsabrechnung erfolgen. Bei selbstständigen Einzelübersetzern kann dies normalerweise der Steuerberater übernehmen, es gibt aber auch entsprechende Dienstleister (z. B. www.lohndirekt.de), die teilweise sehr kostengünstig sind. Informationen zu geringfügigen (maximal 400 Euro pro Monat) und kurzfristigen (längstens 2 Monate) Beschäftigungen finden sich auch im Internet, zum Beispiel auf www.dgb-jugend.de/studium/jobben/jobarten. Von der Höhe der Vergütung hängt beispielsweise ab, ob der Praktikant sozialversicherungspflichtig ist. Die Versicherung gegen Unfälle am Arbeitsplatz (dazu zählt auch der Weg zur und von der Arbeit!) trägt grundsätzlich der Arbeitgeber; der Beitrag ist obligatorisch an die entsprechende Berufsgenossenschaft zu zahlen und richtet sich nach der Höhe des Gehalts.

Freiberufler sollten beachten, dass in Betrieben ab einem Mitarbeiter (auch wenn dieser wie im Falle eines Praktikanten nur vorübergehend angestellt ist) ein Verbandskasten nach DIN 13157 vorhanden sein muss. Viel mehr gibt es zur Sicherheit am Arbeitsplatz von Übersetzern wohl nicht unbedingt zu sagen.

Im Hinblick auf die IT-Sicherheit sollte ein Merkblatt mit Computerregeln vorbereitet werden: z. B. kein eigenmächtiges Herunterladen von Programmen, keine unabgesprochene Verwendung eigener Datenträger wie Disketten oder USB-Sticks, private Nutzung des Internets gar nicht oder nur außerhalb der Arbeitszeiten usw. Ebenso sollte die Rechtestruktur des Netzwerks dem Praktikanten nur Zugriff auf die Daten gestatten, die er für seine Arbeit tatsächlich braucht.

Abschließend lässt sich sagen, dass sich bei der Betreuung von Praktikanten viele Dinge mit gesundem Menschenverstand und etwas Fingerspitzengefühl ganz einfach organisieren und regeln lassen. Es ist an uns als erfahrene Übersetzer, dem Nachwuchs der Branche zu vermitteln, wie man vernünftige Qualität zu einem angemessenen Preis bietet. Auf einem Markt, auf den immer mehr Billiganbieter zweifelhafter Qualifikation drängen, ist es an uns, ein Arbeitsumfeld mitzugestalten, in dem wir auch in Zukunft noch gerne tätig sein möchten. Deshalb profitieren nicht zuletzt auch wir selbst in hohem Maße davon, wenn wir angehenden Übersetzern einen umfassenden Einblick in unseren Arbeitsalltag gewähren.

Welche Unterlagen benötigt das Übersetzungsbüro vom Praktikanten?

  • Motivationsschreiben und Lebenslauf
  • Vordiplom oder Zwischenzeugnis, ggf. Abschlusszeugnis
  • Zeugnisse über bisherige Praktika, Jobs
  • Lohnsteuerkarte
  • Sozialversicherungsausweis
  • Personalfragebogen (beim Steuerberater oder der Abrechnungsstelle erhältlich)

Welche Infos sollte der Praktikant vorab erhalten?

  • Allgemeine Regeln im Büro
  • Arbeitszeiten
  • Infos zu Stadt und Wohnungssuche (u. a. www.zwischenmiete.de)
  • Evtl. Verpflegung in der Mittagspause (Küche vorhanden?)
  • Ansprechpartner vor und während des Praktikums
  • Verkehrsmittel

Praktikumsbörsen im Internet

Die Autorin
Ellen GöpplEllen Göppl, Jahrgang 1973, ist Diplom-Übersetzerin (FH Köln) für Französisch und Englisch und arbeitet seit Januar 2000 im Übersetzungsbüro Peschel, wo sie seit 7 Jahren für die Auswahl und Betreuung der Praktikanten zuständig ist. Neben ihrer Arbeit als Übersetzerin sammelte sie Erfahrungen als Journalistin und Sprachdozentin. Im Frühjahr 2010 wird sie voraussichtlich ihr MBA-Studium am RheinAhrCampus (FH Koblenz) abschließen.

Übersetzungsbüro Peschel
Das in Freiburg beheimatete Übersetzungsbüro Peschel ist ein führender Sprachdienstleister im Bereich der erneuerbaren Energien. Zu den vielfältigen Dienstleistungen gehören das Übersetzen und Dolmetschen in und aus dem Deutschen, Englischen, Französischen, Spanischen und Italienischen. Seit seiner Gründung im Jahr 1997 betreut das Übersetzungsbüro Peschel einen stetig wachsenden internationalen Kundenstamm aus den Bereichen erneuerbare Energien, Medizin und Pharmazie, Jura, Wirtschaft, Sozialwissenschaften, Politik und dem öffentlichen Sektor. Derzeit beschäftigt das Büro sieben feste Mitarbeiter, die von einem Pool an freien Mitarbeitern unterstützt werden.

www.peschel-communications.de

[Text: Ellen Göppl. Die Erstfassung dieses Artikels ist im MDÜ 1/2008 erschienen. Bild: Übersetzungsbüro Peschel.]