Eva Bonné (Bild rechts) studierte in Hamburg, Lissabon und Berkeley amerikanische und portugiesische Literaturwissenschaft. Seit über zehn Jahren übersetzt sie literarische Werke aus dem Englischen und Portugiesischen ins Deutsche. Unter anderem übertrug sie Bücher von Pauls Toutonghi, Anne Donovan und Adam Ross in die deutsche Sprache. Für Einmal Buddha und zurück erhielt sie 2005 den Hamburger Förderpreis für literarische Übersetzungen. Seit einiger Zeit wohnt Bonné in Berlin.
Am 21. Juni 2012 stand die erfahrene Literaturübersetzerin den Studierenden des Fachbereichs Translations-, Sprach- und Kulturwissenschaft (FTSK) in Germersheim der Johannes Gutenberg-Universität Mainz Rede und Antwort.
Thematisiert wurden unter anderem Fragen wie: Wie komme ich an Aufträge? Was sollte ich bei Initiativübersetzungen beachten? Wie viel verdient man als Literaturübersetzer? Wie sieht der Übersetzungsprozess aus? Wer entscheidet über den Titel eines Buches? Zudem erzählte sie über die Arbeit an dem Buch Emily sein oder nicht sein.
Wie kommt man als Neuling an Aufträge?
Wie bei allen selbständigen Berufen ist aller Anfang schwer. Wenn man jedoch die Grundvoraussetzungen erfüllt, das heißt also gute, deutsche Texte produziert, zuverlässig ist, Abgabetermine einhält und vor allem Lust am Übersetzen hat, dann gibt es immer einen Weg. Beispielsweise sind in den Übersetzerstammtischen Newcomer immer willkommen. Dort kann man die Nähe zu anderen, erfahrenen Literaturübersetzern suchen. Ferner kann man an Seminaren und sonstigen Veranstaltungen des VdÜ (Verband deutschsprachiger Übersetzer literarischer und wissenschaftlicher Werke e. V.) teilnehmen. Es besteht auch die Möglichkeit, als Anwärter Mitglied im VdÜ zu werden und so Kontakte zu knüpfen. Man kann sich im Wolfenbütteler Gespräch, in der Jahrestagung der Literaturübersetzer, daruntermischen und auf diesem Weg Übersetzer und Lektoren kennenlernen. Man muss nur hartnäckig sein und sein Ziel verfolgen.
Wenn man einmal einen Text übersetzt hat und der Verlag zufrieden war, ist es in der Regel nicht so schwer, an Folgeaufträge zu kommen. Ab und an werden auch kurzfristig Übersetzer gesucht, wenn der ursprünglich engagierte Übersetzer aus welchen Gründen auch immer abspringt. Des Weiteren bietet der Deutsche Übersetzerfonds Seminare für Berufseinsteiger ein. Das Hieronymus-Programm richtet sich an übersetzerischen Nachwuchs, unterstützt Neulinge am Anfang ihrer Karriere und betreut sie zum Beispiel bei der Textarbeit. Es ist wichtig, mit vielen Verlagen in Kontakt zu sein. Man muss Präsenz und Interesse zeigen. Lektoren spielen eine ganz wichtige Rolle. Sie sind oft auf der Suche nach guten Übersetzern. Wenn man seinen Lebenslauf an einen Lektor schickt, wird die Resonanz wahrscheinlich nicht so groß sein wie erhofft. Es ist ratsam, Seminare zu belegen, die von Lektoren selbst veranstaltet werden. Eine eigene Buchveröffentlichung kann auch hilfreich sein.
Ferner kann man natürlich eine Initiativübersetzung anfertigen, das heißt einen Text übersetzen, der bislang noch nicht in die deutsche Sprache übertragen wurde. Wenn man jedoch Pech hat, hat jemand anders auch den Text entdeckt und vorher übersetzt. Aus diesem Grund ist es besser, zum Beispiel einen Klassiker zu nehmen, von dem eine Übersetzung aus dem Jahre 1930 vorhanden ist, und davon das erste Kapitel zu übersetzen. Dann sollte man sich auf die Suche nach einem Verlag begeben, um zu verhindern, dass jemand anderes den Text übersetzt bzw. um nicht unnötig Zeit für die Übersetzung eines kompletten Werks investiert zu haben, wenn ein anderer Übersetzer bereits den Auftrag für die Übersetzung bekommen hat. Da die Lektoren kaum auf Textsuche sind, sondern hauptsächlich nach guten Übersetzern Ausschau halten, ist es gut, wenn man eine Übersetzungsprobe schickt und ein Exposé schreibt, in dem dargestellt wird, warum der Autor so bedeutend ist, warum bisher noch niemand etwas von diesem Autor oder dieses Buch übersetzt hat etc.
Zur Buchmesse im Oktober ist Frankfurt das Mekka der Literaturübersetzer
Arm, aber sexy?
Bonné ist hauptberuflich als Literaturübersetzerin tätig. Sie hat aber auch Kollegen, die nebenbei unterrichten, oft Deutsch als Fremdsprache, oder Fremdenführer sind. Es besteht auch die Möglichkeit, Stipendien zu bekommen und so seine Projekte zu finanzieren. Das Übersetzen von Literatur macht nicht reich, aber glücklich. Und sehr viel Spaß. Darüber hinaus ist es ein erfüllender Beruf. Man hat zwar nicht viel mit Menschen zu tun, aber es besteht durchaus ein Austausch mit den Lektoren oder Autoren, auf der Buchmesse oder auf Seminaren.
Die meisten Autoren beantworten gerne und ausführlich Antworten der Übersetzer. Oftmals werden die Übersetzer zum Ansprechpartner des Schriftstellers. Außerdem eröffnet sich mit jedem Buch eine neue Welt. Man eignet sich viel Wissen z. B. aus der Botanik oder Biologie an. Die Arbeit wird nie langweilig, denn jedes Buch ist anders.
Honorare werden pro Normseite gezahlt
Die Bezahlung richtet sich nach der Normseite, die aus 1800 Anschlägen besteht nicht mit 1800 Zeichen zu verwechseln. Oftmals gibt es diesbezüglich Streit, weil die Verlage in diesem Punkt verhandeln möchten. Der VdÜ hat eine Empfehlung ausgesprochen, in der von 14 bis 25 Euro pro Normseite die Rede ist. Realistisch sind laut VdÜ 15 bis 18 Euro, je nach Genre und Verlag darüber oder darunter. Hinzu kommt noch die Beteiligung. In einem aktuellen BGH-Urteil wurden den Übersetzer weitreichende Beteiligungen zugesprochen, in der Realität hat sich das noch nicht durchgesetzt. Auch bei Hörbüchern oder E-Books bekommt man ein Extra. In der KNÜLL-Datei des VdÜ erhält man Informationen zum aktuellen Stand der Vertragsbedingungen für Literaturübersetzer. Dort kann man interessante und hilfreiche Dinge über Honorare und Konditionen einzelner Verlage in Erfahrung bringen.
Literaturübersetzer haben das große Plus, dass sie sich in der Künstlersozialkasse versichern können. Somit hat man zumindest, was die Krankenversicherung angeht, keine Sorge. Die Rente, die man im Laufe der Jahre anspart, fällt unter Umständen nicht so hoch aus, d. h. eine private Vorsorge ist angeraten. Das Finanzamt behandelt Literaturübersetzer mit einem Einkommen unter 17.500 Euro im Jahr wie Kleinunternehmer. Alle anderen sind mehrwertsteuerpflichtig, d. h. man muss sieben Prozent auf kreative Leistungen abführen. Wie andere Freiberufler kann man sein Arbeitszimmer absetzen usw.
Der Übersetzungsprozess
Bonné schaut zunächst in das Manuskript rein. Im Idealfall sollte der gesamte Text einmal gelesen worden sein, bevor man dem Verlag zusagt. Daraufhin folgt der Arbeitsdurchgang, das bedeutet die Anfertigung der Übersetzung. Zu guter letzt schaut sie sich nur den Zieltext an. Liest sich die Übersetzung wie ein deutscher Text? Bei nur einer Arbeitssprache kann es schnell passieren, dass sich die Syntax dieser Arbeitssprache einschleicht. Aus diesem Grund ist dieser Schritt, indem die Übersetzung nicht mit dem Original abgeglichen wird, sehr wichtig. Zum Schluss werden Rechtschreibfehler nach den Richtlinien vom Verlag korrigiert und Rechercheergebnisse in den Text eingebaut. Häufig fängt man an, zu schrauben, wenn einem eine Version nicht mehr gefällt. Die Lektoren bearbeiten auch noch einmal den deutschen Text. Das Lektorat hat oft auch eigene Vorstellungen, z.B. was internationale Städtebezeichnungen oder Maßeinheiten angeht. Das Buch wird insgesamt von rund drei Instanzen gelesen, bevor es in den Druck geht (Übersetzer, Lektor, Korrektor).
Wenn einem das Buch nicht gefällt, ist die Arbeit mit diesem Buch natürlich schrecklich. Dann kann man nur in den Schreibtisch beißen. Häufig merkt man aber erst beim zweiten Lesen oder beim Übersetzen selbst, dass einem der Text doch nicht liegt bzw. wo die Schwierigkeiten liegen. Falls man mit einem Text nicht zurecht kommt und abbrechen muss, überfordert ist oder aus anderen Gründen nicht mehr kann, z.B. Krankheit, muss man das sofort mit dem Verlag besprechen, je früher desto besser.
Arbeit im stillen Kämmerlein oder im Team
Ob man als Literaturübersetzer im Team arbeitet, hängt von einem selbst ab. Einige sind der Meinung, dass sie den Text nur in einer Gruppe übersetzen und gemeinsam verfeinern können. Die meisten arbeiten allerdings alleine. Wenn die Übersetzung schnell gehen muss, wird die Arbeit oftmals aufgeteilt. Einer macht den Anfang, der andere das Ende. Die Schwierigkeit liegt dabei darin, dass das Vokabular und der Ton stimmen sollten. Die Übersetzung muss schließlich ein in sich stimmiger Text sein.
Wie lange dauert die Übersetzung eines Buches?
Die Zeit für die Anfertigung der Übersetzung hängt vom Buch und Schwierigkeitsgrad ab. Generell kann man sagen, dass ein etwa 350-seitiges Werk innerhalb von drei Monaten übersetzt wird. Die Dauer wird aber auch von der Arbeitsweise des Übersetzers und seiner Tagesform beeinflusst. Man muss stets kalkulieren und seinen Zeitplan vor Augen haben, um die Abgabetermine einzuhalten.
Wer bestimmt den Titel?
Zu der Wahl des Titels eines Buches sagte Bonné, dass diese dem Verlag obliegt. Meist entscheidet die Marketingabteilung des Verlags darüber. Oft ist der Titel festgelegt, bevor mit der Übersetzung begonnen wurde. In diesem Fall wirbt der Verlag mit diesem Titel und schreibt, dass das Buch beispielsweise ab September 2013 erhältlich ist.
Buchübersetzung von Eva Bonné: Emily sein oder nicht sein
Eva Bonné hat das Buch Being Emily von Anne Donovan übersetzt, das im Luchterhand-Verlag unter dem Titel Emily sein oder nicht sein erschienen ist. Im Original wird in einem Dialekt gesprochen, dem Schottischen. Dies hat natürlich politische Hintergründe. Es wird dort der Versuch unternommen, seine eigene Stimme zu finden. Den Text hat Bonné ins Hochdeutsche übersetzt und nicht ins Bayerische o. Ä. Ferner machte sie darauf aufmerksam, dass Kraftausdrücke geschrieben viel stärker sind. In dem eben genannten Buch hatte sie aber die Möglichkeit, umgangssprachliche Begriffe zu verwenden so z. B. das Wort Penner. Sie konnte und musste einen familiären Ton im deutschen Text herstellen. Die Sprechweise des Originals ist schließlich die Leitlinie.
Man soll nicht versuchen, es besser zu machen als der Autor, denn oft reicht das, was der Autor macht. Man sollte das abbilden, was im Original geschrieben steht. Früher wurden Produkte näher beschrieben. Dabei griff man unter Umständen auf einen ganzen Halbsatz zurück, damit die Zielkultur nachvollziehen konnte, was der Autor genau meint. Heute geht die Tendenz eher dahin, Produktnamen einfach zu übernehmen, weniger zu verallgemeinern und weniger zu erklären.
In dem Text kamen Zitate von Gedichten vor wie beispielsweise von Wordsworth. Bei Zitaten geht Bonné meist so vor, dass sie eine eigene Übersetzung des Zitats anfertigt. Dies verlangen auch die Verlage, um sich nicht um die Rechte kümmern zu müssen und so auf der sicheren Seite zu sein. Wenn das Zitat jedoch bekannt ist, sollte man die in der deutschsprachigen Kultur eingebürgerte Version wählen auch wenn man die eigene oder eine neuere Übersetzung als schöner erachtet.
Keine Angst vor Kritik!
Als Literaturübersetzerin erhält sie kaum Fanpost oder Kritik vonseiten der Leser. Auf dieser Ebene gibt es kaum eine direkte Auseinandersetzung. Bei Kritiken in größeren Feuilletons hat man natürlich Angst, dass etwas Gemeines über die Übersetzung geschrieben wird. Allerdings muss man damit umgehen können, dass an der Übersetzung Kritik geübt wird.
Auslandsaufenthalte sind sinnvoll
Bonné selbst hat einige Zeit in englischsprachigen Ländern (USA, Schottland) gelebt und auch den Studierenden des FTSK Germersheim geraten, einmal ganz in die Sprache einzutauchen und ins Ausland zu gehen, und sei es als Au-pair oder Kellner. Das Verständnis für die Kultur spielt eine ganz wichtige Rolle in dem Beruf.
[Text: Jessica Antosik. Quelle: Vortrag von Eva Bonné am FTSK Germersheim, 21.06.2012. Bild: Eva Bonné, Richard Schneider, Luchterhand Verlag.]