Sprachpolitik: Ukraine bekämpft russische Sprache per Gesetz

Prozentualer Anteil der russischen Muttersprachler an der Gesamtbevölkerung in den Regionen der Ukraine auf Basis der Volkszählung von 2001. - Bild: Alex Tora / CC BY-SA 3.0 (aus dem Wikipedia-Artikel "Ukraine")

In der Ukraine ist im Januar 2022 die Übergangsfrist eines vor drei Jahren beschlossenen Sprachgesetzes ausgelaufen. Es soll das Russische, das mit der Unabhängigkeit 1991 bereits den Status einer Amtssprache verloren hat, weiter zurückdrängen. Ab jetzt gilt:

  • Überregionale Zeitungen und Zeitschriften müssen auf Ukrainisch erscheinen. Russischsprachige Ausgaben dürfen nur dann herausgegeben werden, wenn auch eine ukrainische Fassung in gleichhoher Auflage gedruckt wird.
  • Staatsbeamte, Polizisten, Justizmitarbeiter, Ärzte im staatlichen Gesundheitswesen, aber auch die Dienstleister in der Privatwirtschaft sind verpflichtet, Bürger grundsätzlich auf Ukrainisch anzusprechen. Verstöße gegen das „Recht auf Bedienung in der Landessprache“ können gemeldet und im Wiederholungsfall mit Geldstrafen geahndet werden.
  • Zwei Drittel der im ukrainischen Fernsehen laufenden Serien stammen aus Russland. Diese dürfen jetzt nur noch ukrainisch synchronisiert ausgestrahlt werden.
  • Russisch sprechende Redner und Moderatoren auf Veranstaltungen jeglicher Art – selbst bei Konzertabenden – müssen ins Ukrainische verdolmetscht werden.
  • Buchläden müssen mindestens die Hälfte ihres Sortiments auf Ukrainisch anbieten.

Dass es sich nicht um ein Gesetz zur Förderung der ukrainischen, sondern zur Bekämpfung der russischen Sprache handelt, belegen die vorgesehenen Ausnahmen. Publikationen von „angestammten Minderheiten“ wie etwa Krimtataren, Polen, Ungarn, Rumänen, Griechen oder Bulgaren sind von der Pflicht befreit, auf Ukrainisch zu erscheinen. Das gilt ebenso für alle Amtssprachen der Europäischen Union.

„Das Russische abwürgen“ lautet in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 18. Januar 2022 die treffende Überschrift eines Artikels zum Thema. Genau dies scheint das Ziel der Gesetzgebung zu sein.

Leidtragende sind vor allem die fast 12 Millionen russischsprachigen Ukrainer, die im Osten des Landes sowie im Süden – wenn man die Krim noch als zur Ukraine gehörig betrachtet – sogar die Bevölkerungsmehrheit bilden. Auf die Gesamtbevölkerung bezogen sind von dem Gesetz 29,6 Prozent der 41 Millionen Staatsbürger betroffen (Volkszählung von 2001).

Getroffen werden aber auch ukrainische Medien, die auf Russisch Putin und dessen Ukrainepolitik kritisieren. Als eine Art russische Gegenöffentlichkeit hätten diese eigentlich Schutz verdient, klagt der in London lebende russische Journalist Oleg Kaschin in der FAZ. Stattdessen sei die Ukraine nun das erste Land, das Pressepublikationen in einer konkreten Sprache faktisch verbiete.

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Richard Schneider