Computergestützte Analyse von Lautmustern: Neues Verfahren zur Bestimmung von Sprachverwandtschaften

Pano, Takana
Verbreitungsgebiet der Pano- und Takana-Sprachen entlang der großen Ströme Südamerikas. - Bild: Frederic Blum, erstellt mit Natural Earth

Über die Geschichte der Sprachfamilien Amerikas ist nur wenig bekannt. Um eine mögliche gemeinsame Abstammung der im Amazonasgebiet gesprochenen Sprachfamilien Pano und Takana zu untersuchen, hat ein Team von Sprachwissenschaftlern nun einen integrierten Arbeitsablauf entwickelt, der computergestützte und konventionelle Methoden der historischen Linguistik kombiniert.

Durch die Analyse hypothetischer Wortschatzvarianten, die Voraussagen zufolge von einer Sprachfamilie in die andere übertragen würden, fand man deutliche Hinweise auf die gemeinsame Abstammung der beiden.

Deutsch-peruanische Kooperation

Ein internationales Team von Sprachwissenschaftlern hat einen neuen Ansatz zur Untersuchung der Verwandtschaftsbeziehungen von Sprachfamilien entwickelt, der neue Einblicke in die Geschichte zweier Sprachfamilien aus dem Amazonasgebiet ermöglicht. Forscher des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig, der Universität Passau und der Pontificia Universidad Católica del Perú sammelten Daten zur Shipibo-Konibo-Sprache, einer Pano-Sprache, die im peruanischen Amazonasgebiet gesprochen wird.

Dabei wurde eine neue Computer-Implementierung einer bereits etablierten Methode zur Voraussage von Veränderungen in der Aussprache verwandter Wörter verwendet. Diese beruht auf Ähnlichkeiten in der Aussprache zwischen verschiedenen Sprachfamilien. Mit Hilfe dieser Methode und durch direkten Vergleich mit ihren Voraussagen konnten mehr als 20 exakte Entsprechungen in den aufgezeichneten Daten identifiziert werden.

Entschlüsselung der Lautmuster

Erstautor Frederic Blum, Doktorand an der Universität Passau und am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig, kommentiert:

Wir haben unsere Voraussagen anhand von Aufnahmen mit Muttersprachlern getestet. Dabei konnten wir die zuvor identifizierten Lautmuster bestätigen und fanden weitere Belege für die Rekonstruktion von drei neuen Lauten (Phonemen) für das Proto-Pano-Takana, den gemeinsamen Vorfahren der Sprachfamilien Pano und Takana.

Johann-Mattis List, Inhaber des Lehrstuhls für Multilinguale Computerlinguistik an der Universität Passau und einer der Koautoren der Studie, ergänzt:

Diese Studie hat unseren Werkzeugkasten in der computergestützten historischen Linguistik erweitert. Durch die Anwendung einer formal definierten Methode auf eine Vielzahl von Sprachen aus unterschiedlichen Sprachfamilien sind wir jetzt in der Lage, die Beziehung zwischen zwei Sprachfamilien explizit auf der Grundlage einer bewährten und getesteten Methodik zu untersuchen.

Die Autoren gehen davon aus, dass dieser innovative Ansatz in Zukunft auch auf andere Sprachfamilien übertragen werden kann. Damit böten sich neue Möglichkeiten zur Überprüfung von Hypothesen in der historischen Sprachwissenschaft. Das Wissen über die Geschichte der menschlichen Sprachen könnte so erweitert werden.

Weiterführender Link

Sandra Jacob (MPI)