Völkerverständigung im Bienenstock: Forscher ermöglichen erstmals Kommunikation zwischen europäischen und asiatischen Bienen

Tanzende Honigbiene
Die schwänzelnde Biene in der Bildmitte informiert ihre Nestgenossinnen über eine Futterquelle oder einen anderen Ort, der für das Überleben des Volkes wichtig ist. - Bild aus Buch "Phänomen Honigbiene" von Jürgen Tautz und Helga R. Heilmann

Die Tanzsprache der Honigbienen gehört zu den am besten untersuchten Kommunikationsformen im Tierreich. Trotzdem ist sie immer wieder für Überraschungen gut: Bienenforscher der BEEgroup vom Biozentrum der Universität Würzburg haben jetzt gemeinsam mit Kollegen aus China und Australien herausgefunden, dass sich europäische und asiatische Honigbienen miteinander verständigen können, obwohl sich ihre Tanzsprache unterscheidet. Das berichtet die Online-Fachzeitschrift PLOS-one in ihrer neuen Ausgabe.

Bienen kommunizieren über Schwänzeltänze

Seit den Arbeiten des Bienenforschers Karl von Frisch (1886-1982) ist bekannt, dass die Mitglieder einer Bienenkolonie es sich gegenseitig mitteilen, wo sie neue Futterquellen, Wassersammelstellen oder Nistplätze gefunden haben. Die Entdeckerinnen führen dazu vor den anderen Sammelbienen im Stock einen Tanz auf, der Informationen über die Position der Ziele enthält. Die Detailangaben stecken in der so genannten Schwänzelphase: Dieser Teil des Bienenballetts dauert umso länger, je weiter das Ziel vom Bienenstock entfernt ist.

Weltweit neun Arten von Honigbienen, die eigene Dialekte entwickelt haben

Weltweit gibt es neun Arten von Honigbienen. Sie haben sich im Lauf der Evolution vor 30 bis 50 Millionen Jahren voneinander getrennt und danach eigene Tanzsprachen-Dialekte entwickelt. „Die Inhalte der Botschaften sind bei allen Arten gleich, aber die Kodierung der Nachrichten in Form der Tanzsprachen unterscheidet sich jeweils“, sagt der Würzburger Professor Jürgen Tautz.

So schwänzeln zum Beispiel europäische Honigbienen deutlich kürzer als ihre asiatischen Verwandten, um identische Entfernungen mitzuteilen. Diese beiden Arten, die asiatische Honigbiene Apis cerana und die europäische Honigbiene Apis mellifera, sind diejenigen, die geographisch am weitesten voneinander entfernt leben. Dementsprechend weit haben sich auch ihre Sprachen auseinanderentwickelt.

Erstmals Völkerverständigung bei Bienen, weil Erkennungsduft überdeckt wurde

Dem Würzburger Bienenforscher ist es mit seinem Kollegen Songkun Su von der Zhejiang-Universität in China und Shaowu Zhang von der Australian National University Canberra jetzt erstmals gelungen, die europäischen und die asiatischen Bienen zu funktionierenden Bienenvölkern zu vereinigen. „Das haben vor uns schon viele Wissenschaftler versucht“, sagt Tautz.

Bislang sei das nicht geglückt, weil fremde Bienen sich sofort nach dem Zusammensperren töten. „Wenn man aber die spezifischen Erkennungsdüfte durch einen dritten, künstlichen Geruch überdeckt (der nach kurzer Zeit wieder wegfallen kann) und den Bienen ein paar Tage Eingewöhnungszeit lässt, dann klappt es mit dem Zusammenleben“, so der Wissenschaftler.

Überraschung: Europäische und asiatische Bienen können miteinander kommunizieren

Dieser neue Ansatz der Verhaltensforschung hat als erstes Resultat gezeigt, dass sich die beiden Bienenarten trotz verschiedener Tanzsprachen verständigen und gemeinsam Futterquellen ausbeuten können.

Nach wenigen Stunden Eingewöhnung folgen die Asiatinnen den Tänzen der Europäerinnen und deuten deren Sprache richtig. Erkennbar ist das daran, dass sie genau an den Zielen in der Landschaft auftauchen, die ihnen die europäischen Bienen zuvor angezeigt haben.

Tautz: „Kommunikationssystem der Bienen anpassungsfähig und keineswegs unflexibel“

„Das Kommunikationssystem der Bienen ist also sehr anpassungsfähig und keineswegs unflexibel, wie man es für Insekten eigentlich erwarten sollte“, so das Fazit der Forscher. Mit Hilfe ihres gemischten Bienenvolks wollen sie jetzt die Grenzen dieser Anpassungsfähigkeit und deren Grundlagen ausloten. Wie viel davon ist genetisch festgelegt, wie viel erlernt? „Die gemischten Völker sind ein ideales Werkzeug, um diese Fragen anzugehen“, so Tautz.

[Text: Gunnar Bartsch, Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit der Julius-Maximilians-Universität Würzburg.]