Bundesfinanzhof stellt klar: Übersetzer sind keine Schriftsteller

JustitiaÜbersetzer sind keine Schriftsteller, zumindest nicht im Sinne der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung. Das hat der Bundesfinanzhof vor einigen Monaten klargestellt. Das Finanzgericht hatte das in der Vorinstanz noch anders gesehen.

Die Sache war vor Gericht gekommen, weil eine Literaturübersetzerin knapp 500 Euro Steuern sparen wollte. Sie lehnte es ab, ihre Vorsteuerbeträge einzeln zu belegen, sondern setzte pauschal einen gewissen Prozentsatz der Einnahmen als Vorsteuer an. Eine solche Sonderregelung existiert für die Berufsgruppe der Schriftsteller. Die Übersetzerin wollte als belletristische Übersetzerin den Schriftstellern in steuerlicher Hinsicht gleichgestellt werden.

Das nun ergangene Urteil hat – außer für die betroffene Übersetzerin – keine sonderliche Bedeutung, aber die Argumente für und gegen die Gleichstellung von Übersetzern mit Schriftstellern sind interessant. Nachfolgend einige Auszüge, die wir zur besseren Verständlichkeit teils umformuliert haben:

Der Sachverhalt

Eine Übersetzerin hatte im Streitjahr 2000 mehrere Bücher der Unterhaltungsliteratur aus dem Englischen und Französischen ins Deutsche übersetzt. In ihrer Umsatzsteuererklärung machte sie Vorsteuern in Höhe von 965,54 DM geltend, die sie nach dem Durchschnittssatz von 2,6 % ihrer Umsätze berechnet hatte, der für die Berufsgruppe der Schriftsteller gilt.

Das Finanzamt erkannte die Vorsteuern aber lediglich in der durch Rechnungen nachgewiesenen tatsächlichen Höhe von 417,30 DM an. Dagegen klagte die Übersetzerin mit der Begründung, ihr stehe ebenso wie einem Schriftsteller ein pauschaler Vorsteuerabzug zu.

Finanzgericht entscheidet zugunsten der Übersetzerin

Das Finanzgericht gab der Übersetzerin mit folgender Begründung Recht:

Die Klägerin könne den für Schriftsteller geltenden Durchschnittssteuersatz geltend machen, weil sie geschriebene Werke mit unterhaltendem Inhalt „geschaffen“ habe. Für die Auslegung des Begriffs „Werk“ sei maßgeblich auf das Urheberrecht abzustellen. Nach dem Urhebergesetz würden Übersetzungen wie selbständige Werke geschützt, wenn sie persönliche, geistige Schöpfungen des Bearbeiters seien. Hiervon könne bei der Übersetzung von Belletristik ausgegangen werden. Urheberrechtlich komme es nicht auf ein besonderes literarisches Niveau des Ursprungstextes an.

Im Unterschied zur urheberrechtlichen Sicht habe der Bundesfinanzhof in einem zum pauschalierten Betriebsausgabenabzug ergangenen Urteil für die Gleichsetzung eines Übersetzers mit einem Schriftsteller die Erfüllung bestimmter Mindestanforderungen verlangt. Hiernach genüge allein die Übertragung von Texten in eine andere Sprache nicht. Erforderlich sei vielmehr, dass die Übersetzung durch Elemente der Sprachschöpfung, der Nachschöpfung und des kongenialen Erfassens der inhaltlichen und formalen Gedanken des Autors geprägt sei.

Diese Voraussetzungen seien erfüllt, wie sich aus einer von der Klägerin vorgelegten Textanalyse ergebe, in der sie näher erläutert habe, weshalb die möglichst authentische Übertragung eines Ursprungswerkes einen kreativen Umgang mit den Ursprungstexten erforderlich mache.

Finanzamt geht in Revision

Das Finanzamt ging in Revision, weil es der Auffassung war, dass das Finanzgericht die Gesetze unzutreffend ausgelegt habe. Denn die Klägerin habe als Übersetzerin keine geschriebenen Werke mit überwiegend wissenschaftlichem, unterhaltendem oder künstlerischem Inhalt geschaffen.

Auch unterscheide sich die Tätigkeit eines Übersetzers hinsichtlich der Aufwendungen von der eines Schriftstellers, der in vielen Fällen zur Literaturrecherche Reisen, Milieustudien oder Literaturrecherchen vornehme. Nach der Gewinn- und Verlustrechnung der Klägerin seien nur in sehr geringem Umfang derartige Aufwendungen enthalten. Das Finanzamt beantragte deshalb, das Urteil des Finanzgerichts aufzuheben.

Die Übersetzerin argumentierte hingegen, die Voraussetzung für die Durchschnittsbesteuerung als Schriftsteller, die „Schaffung eines geschriebenen Werkes“, sei erfüllt, weil das Urheberrecht Übersetzern denselben urheberrechtlichen Schutz wie Autoren gewähre. Die hierfür erforderliche Schöpfungstiefe sei zwar nicht bei Fachübersetzern, jedoch bei Literaturübersetzern gegeben, die deshalb auch als „Werkschaffende“ anzusehen seien. Eine Ungleichbehandlung zwischen Literaturübersetzern und Schriftstellern sei nicht nachvollziehbar.

Bundesfinanzhof entscheidet zugunsten des Finanzamts

Der Bundesfinanzhof entschied in seinem letztinstanzlichen Urteil:

Entgegen der Rechtsauffassung der Vorinstanz gehören Übersetzer nicht zur Berufsgruppe der Schriftsteller, denn Übersetzer schaffen keine eigenen Werke, sondern übertragen fremde Werke in eine andere Sprache. Auch ist die Berufsgruppe der Übersetzer hinsichtlich ihrer verschiedenartigen Tätigkeitsbereiche (Literaturübersetzer, Dolmetscher, Fachübersetzer) zu uneinheitlich, als dass sie im Rahmen einer steuerlichen Vereinfachungsregelung der Berufsgruppe der Schriftsteller zugeordnet werden könnte.

Gegen die Zuordnung der Übersetzer zu den Schriftstellern spricht weiter, dass der Gesetzgeber in § 18 EStG in der Aufzählung der freien Berufe neben der Berufsgruppe der Schriftsteller die Berufsgruppen der „Dolmetscher und Übersetzer“ gesondert benannt hat. Hätte er die Übersetzer bereits der Berufsgruppe der Schriftsteller zugerechnet, hätte es der gesonderten Nennung nicht bedurft.

Auch die Regelung des § 3 UrhG, wonach Übersetzungen als „Bearbeitung“ eines Werkes und nicht als „Schaffung“ eines Werkes bezeichnet werden, zeigt, dass der Gesetzgeber die Übersetzer nicht der Berufsgruppe der Schriftsteller zurechnet.

Eine einzelfallorientierte Entscheidung, die von Textanalysen oder Gutachten zur Übersetzungstiefe abhängen würden, oder die Zuordnung von Untergruppen der Übersetzer (Literaturübersetzer, Fachübersetzer) zur Berufsgruppe der Schriftsteller in Abhängigkeit von der Übersetzungstiefe oder dem wissenschaftlichen Gehalt der Übersetzung, widerspräche dem Vereinfachungszweck der für Schriftsteller geltenden Pauschalierungsregelung.

Eine Unterscheidung zwischen Literaturübersetzern, die die klagende Übersetzerin den Schriftstellern gleichstellen will, und Fachübersetzern, denen sie nur ausnahmsweise die erforderliche Schöpfungstiefe zuerkennt, würde schon wegen der zusätzlichen Abgrenzungsschwierigkeiten dem Vereinfachungszweck der Vorschrift widersprechen.

Der Volltext des Urteil kann in der Juris-Datenbank abgerufen werden.

[Text: Richard Schneider. Quelle: BFH-Urteil V R 66/07 vom 23.07.2009. Bild: Richard Schneider.]