Wie die Ursprache aufgebaut war

Unter Syntax versteht man die Lehre vom Satzbau. Die Syntax als Teil der Grammatik behandelt die Muster und Regeln, nach denen Wörter zu größeren funktionellen Einheiten wie Teilsätzen (Phrasen) und Sätzen zusammengestellt und Beziehungen zwischen diesen formuliert werden. In den meisten indogermanischen Sprachen wie dem Englischen oder Deutschen sieht die bevorzugte Satzstellung wie folgt aus: Subjekt (S) – Prädikat (P) – Objekt (O), d.h. „Peter isst ein Eis.“. Da Ausnahmen die Regel bestätigen, gibt es insbesondere in Fragen und Nebensätzen, wie beispielsweise im Deutschen, oftmals Abweichungen von der SPO-Regel. In deutschen Nebensätzen gilt die Folge Subjekt – Objekt – Prädikat. Durch die veränderte Satzstellung ändert sich jedoch nicht Grundaussage, sondern der Schwerpunkt. Ein Beispiel zur Verdeutlichung:

  • Hans baut im Wald mit seinem Freund eine riesige Baumhütte.
  • Im Wald baut Hans mit seinem Freund eine riesige Baumhütte.
  • Mit seinem Freund baut Hans im Wald eine riesige Baumhütte.
  • Eine riesige Baumhütte baut Hans im Wald mit seinem Freund.
  • Hans baut eine riesige Baumhütte im Wald mit seinem Freund.
Merritt Ruhlen
Merritt Ruhlen

Als unsere Vorfahren vor rund 50.000 miteinander sprachen, geschah dies möglicherweise nach dem Prinzip: Subjekt  – Objekt – Prädikat. „Du Tiere jagen.“ Davon gehen die beiden US-amerikanischen Sprachforscher Murray Gell-Mann vom Santa Fe Institute und sein Kollege Merritt Ruhlen von der Stanford University aus. Im Laufe der Entwicklung zu den modernen Sprachen habe sich diese Abfolge auf unterschiedliche Weise verändert. Alte, teilweise bereits ausgestorbene Sprachen, folgen in der Regel dem S-O-P-Muster. Die beiden Forscher ziehen daraus den Schluss, dass eine mögliche Ursprache der Menschheit auch diese Struktur besaß.

Die Linguisten untersuchten den Satzbau und die geschichtliche Entwicklung von über 2.100 heute bekannten Sprachen. Der Satzbau nach dem S-O-P-Muster war bei 1008 der analysierten Sprachen zu finden. 164 Sprachen basierten auf einem PSO-Muster, in 40 Sprachen gab es die P-O-S-Konstruktion. Äußerst selten stoßen die Sprachwissenschaftler auf OPS- und OSP-Folgen.

Aus den Daten erstellten Gell-Mann und Ruhlen einen Stammbaum der Sprachstrukturen, den sie in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) vorstellen. Hier finden Sie die PDF-Datei von PNAS mit Angaben zu den Sprachen und Satzstellungen.

Viele Linguisten sind der Ansicht, dass alle heutigen Sprachen aus einer gemeinsamen Ursprache entstanden sein könnten. Wie diese Mutter aller Sprachen aussah und wann sich die Aufspaltung in die verschiedenen Sprachfamilien ereignete, ist jedoch strittig. Des Weiteren sind zahlreiche Forscher der Meinung, dass der Satzbau vorwiegend horizontal weitergegeben wird – beispielsweise durch die Übernahme der Sprachmuster von benachbarten Volksstämmen. Gell-Mann und Ruhlen sind diesbezüglich anderer Ansicht und sagen: „Unsere Studie deutet darauf hin, dass keine dieser Vorstellungen korrekt ist.“ Sie gehen von einer vertikalen Weitergabe der Sprache von den Eltern an die Kinder aus.

[Text: Jessica Antosik. Quelle: dradio.de, 11.10.2011; wissenschaft.de, 11.10.2011; g-o.de; pnas.org; wikipedia.de. Bild: Merritt Ruhlen (Wikipedia).]