Anno 1654: Gericht verlangt erstmals eine „beglaubte und approbierte Translation in Teutscher oder lateinischer Sprach“

Deutschland 1648
Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation im Jahr 1648, als der Westfälische Friede den Dreißigjährigen Krieg beendete.

Seit wann verlangen deutsche Gerichte eigentlich, dass Übersetzer die Vollständigkeit und Richtigkeit ihrer Übersetzungen bestätigen? (Im Branchenjargon unzutreffend als „beglaubigen“ bezeichnet.) Na ja, irgendwann in den 1950er Jahren wird das wohl festgelegt worden sein, werden die meisten jetzt denken.

Falsch! Schon 300 Jahre vorher, im Zeitalter des Barock, gab es eine entsprechende Vorschrift für den Reichshofrat, der eine Art Bundesverfassungsgericht der damaligen Zeit war.

Die „Reichshofratsordnung“ von 1654 schrieb bei fremdsprachigen Eingaben eine Übersetzung vor – und zwar erstmals eine amtliche und beglaubigte. Amtssprachen des Reiches waren Latein (vor allem in den katholischen Gebieten) und Deutsch (vor allem in den protestantischen Gebieten). Dem Gericht durften zwar auch Schriftstücke in anderen Sprachen vorgelegt werden, aber:

[…] es soll dabei eine beglaubte, und von der Obrigkeit versiegelte und approbierte Translation in Teutscher oder lateinischer Sprach, stets mit producirt werden.

War dies – sechs Jahre nach Ende des Dreißigjährigen Krieges – die Geburtsstunde eines qualifizierten Gerichtsdolmetscherwesens?

Amtssprachen waren Latein und Deutsch

Ferdinand III. von Österreich
Ferdinand III. von Österreich war 1654 römisch-deutscher Kaiser sowie König von Ungarn, Kroatien und Böhmen.

Die Reichshofratsordnung mit dem oben zitierten neuen Passus wurde am 15. März 1654 auf dem Reichstag zu Regensburg erlassen. Ferdinand III. von Österreich war zu dieser Zeit (von 1637 bis 1656) Kaiser des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation.

Schon damals waren die deutschen Lande ein echtes Multikultigebilde, so dass dem Kaiser nicht anderes übrig blieb als sieben Sprachen zu lernen: Latein, Deutsch, Spanisch, Italienisch, Französisch, Tschechisch und Ungarisch.

Über den Reichshofrat

Der 1498 geschaffene Reichshofrat war zunächst sowohl für Regierungs- als auch Verwaltungs- und Rechtsprechungsaufgaben zuständig, seit Mitte des 16. Jahrhunderts aber auf gerichtliche Funktionen beschränkt. Er stand damit als zweites oberstes Reichsgericht in Konkurrenz zum Reichskammergericht.

Der Reichshofrat bestand aus einem Präsidenten und einer mehrmals geänderten Zahl von Reichshofräten (zwischen 18 und 30). Das Verfahren vor dem Reichshofrat lief schriftlich ab, indem die Parteien Schriftsätze wechselten. Die Entscheidungen fielen in Plenarsitzungen.

[Text: Richard Schneider. Quelle: Hattenhauer, Hans: Zur Geschichte der deutschen Rechts- und Gesetzessprache. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1987 (Seite 8). Bild: F. W. Putzgers Historischer Schul-Atlas, 1905; Gemälde von Jan van den Hoecke (gemeinfrei).]