Viele Migranten sind aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse bei der medizinischen Versorgung in Krankenhäusern benachteiligt. Bei einer Stichproben-Befragung der Verbraucherzentralen Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz bei 35 Krankenhäusern in 11 Städten gab nur eine Einrichtung an, bei Verständigungsproblemen
einen externen Dolmetscherdienst zu organisieren. „Alle anderen Krankenhäuser sind auf sprachliche Defizite bei ausländischen Patienten nicht vorbereitet und haben auch keinen brauchbaren Lösungsansatz für dieses weit verbreitete Problem“, kritisieren die Verbraucherschützer. „Ärzte und medizinisches Personal müssen künftig sprachlich adäquater mit ausländischen Patienten umgehen, um mögliche Risiken einer falschen Behandlung zu minimieren.“
Kulturelle Barrieren und lückenhafte Sprachkenntnisse von Migranten behindern oft eine optimale Gesundheitsversorgung der Betroffenen: Viele haben Schwierigkeiten, das deutsche Gesundheitssystem zu verstehen und für sich zu nutzen. Ein großer Teil ist nur unzureichend über Krankheiten, Therapiemöglichkeiten und die Dosierung von Medikamenten informiert. Die Folgen können verspätete oder unsachgerechte Behandlungen sein, die auch das Budget des öffentlichen Gesundheitssystems unnötig belasten können.
Ob und wie Krankenhäuser dieser Problemlage begegnen, wollten die Verbraucherzentralen NRW und Rheinland-Pfalz jetzt von 35 Einrichtungen in 11 Städten wissen, davon 18 Krankenhäuser in Rheinland-Pfalz in 8 kreisfreien Städten. Vorgegeben wurde telefonisch ein fiktiver Fall: Für die Behandlung einer Türkisch sprechenden Patientin wurde nach einer Übersetzungshilfe gefragt. Doch 34 Krankenhäuser hatten keinerlei verbindliche Hinweise für den Umgang mit Migranten bei Verständigungsschwierigkeiten parat. Vier Häuser gaben zwar an, eine Liste mit fremdsprachigen Mitarbeitern für benötigte Dolmetscherhilfe zu führen. Doch Liste bzw. Mitarbeiter waren während der Befragung nicht greifbar. 24 Krankenhäuser wollten eine sprachliche Unterstützung spontan organisieren. Fünf Einrichtungen waren der Ansicht, dass ausländische Patienten ihr Sprachproblem selbst lösen müssten. Und weitere vier lehnten es ab, sich um die sprachliche Verständigung mit Zugereisten zu kümmern. Nur eine Einrichtung zieht bei Bedarf einen externen Dolmetscherdienst zu Rate.
Bezogen auf Rheinland-Pfalz sah die konkrete Situation ähnlich aus: Die befragten Krankenhäuser nahmen die Anfrage zwar freundlich auf, konnten jedoch in keinem Fall auf eine Dolmetscherhilfe verweisen. In 14 Häusern wurde auf vorhandene türkischsprachige Mitarbeiter hingewiesen, wobei nicht sichergestellt war, dass diese auch verfügbar waren. Die Einrichtungen gaben dann unverbindliche Hinweise wie „Irgend jemand, der Türkisch spricht, ist immer da“ oder „Es wird sich etwas ergeben, ein türkischer Mitarbeiter wird sich finden“. Fünfmal wurde darauf hingewiesen, dass immer Familienangehörige oder Verwandte mit Deutschkenntnissen mitkämen. Einmal wurde auf den Migrationsausschuss verwiesen, in einem Fall sollte auf eigene Kosten ein Dolmetscher mitgebracht werden.
Unterm Strich wird deutlich: Bislang ist keine zufrieden stellende sprachliche Unterstützung für Migranten in Krankenhäusern vorhanden. Die Brisanz der Problematik wird dabei völlig verkannt. Nach Ansicht der Verbraucherschützer fehlen in den Einrichtungen Lösungen wie qualifizierte interne oder externe Dolmetscherdienste, die Menschen mit Verständigungsproblemen über Behandlungsmethoden und Untersuchungsergebnisse in ihrer Muttersprache aufklären. Dass dies in der Praxis möglich ist, zeigen zwei Einrichtungen in Hamburg und München. Dort sind interne Dolmetscherdienste eingerichtet, die in Hamburg sogar von anderen Kliniken genutzt werden können.
Menschen mit Sprachproblemen haben Anspruch auf chancengleiche Behandlung. Innerhalb des Gesundheitswesens gibt es diesbezüglich einen starken Handlungsbedarf. Ärzte sind verpflichtet, mit allen Patienten ein aufklärendes Gespräch über die jeweilige Diagnose und Behandlungsmethode zu führen. Deshalb müssen sie gewährleisten, dass auch deutschunkundige Patienten die Untersuchung und deren Folgen verstehen. Sonst sind sie haftbar zu machen. Die Verbraucherzentralen NRW und Rheinland-Pfalz appellieren deshalb an die Krankenhäuser, Strukturen zu schaffen, die eine angemessene Behandlung und Versorgung von Migranten sicherstellen.
Die Erhebung wurde im Rahmen des Projekts „Markttransparenz im Gesundheitswesen“ durchgeführt und durch das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft finanziell gefördert.
PM Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz