Zürich greift durch: Ein Drittel der Gerichtsdolmetscher wird voraussichtlich aus Liste gestrichen

Der Kanton Zürich leistet nach der „Dolmetscheraffäre“ von 1999 seit Jahren Beachtliches bei der Neuordnung und Professionalisierung des Gerichtsdolmetscherwesens.

Am vergangenen Donnerstag trafen sich alle Beteilligten auf einer groß angelegten Tagung in Zürich. Vertreten waren die „Fachgruppe für das Dolmetscherwesen“, die unter der Leitung von Tanja Huber stehende „Zentralstelle für das Dolmetscherwesen“ (beide am Obergericht angesiedelt), Richter, Staatsanwälte, Polizisten, Vertreter der Sozialbehörde sowie rund zweihundert (!) Gerichtsdolmetscher. Diese haben im März 2003 den Verband der Zürcher Gerichtsdolmetscher und -übersetzer (VZGDÜ) ins Leben gerufen, um gemeinsam ihre Interessen zu vertreten.

Auf der Tagung wurde heftig diskutiert und gestritten – unter anderem über das nach Ansicht der Dolmetscher viel zu geringe Standardhonorar von 60 bzw. 90 Franken (45/58 Euro), das in der neuen Dolmetscherverordnung festgelegt ist.

Bundesrichter Hans Mathys forderte die Dolmetscher auf, gegenüber Gerichten und Behörden „als autonome, verantwortungsvolle Persönlichkeiten“ aufzutreten, Unterlagen einzufordern und Monologe der übrigen Prozessbeteiligten ruhig zu unterbrechen, um nicht allzu lange Passagen dolmetschen zu müssen.

Der Augiasstall soll weiterhin mit eisernem Besen ausgekehrt werden. Bereits seit April 2005 muss jeder, der neu in die Gerichtsliste aufgenommen werden möchte, einen Basiskurs mit Abschlussprüfung an der Zürcher Hochschule Winterthur (ZHW) absolvieren. Nun wird die Prüfung auch für die rund 1.000 bereits seit Jahren bei Gericht registrierten Dolmetscher zur Voraussetzung für den Verbleib im Verzeichnis. Es gibt keine Ausnahmen für „alte Hasen“. Wer die Prüfung nicht besteht oder gar nicht erst antritt, wird aus der Liste gestrichen.

Außerdem will man sich der 500 Karteileichen annehmen, die seit Jahren keinen Auftrag mehr erhalten haben. Tanja Huber geht davon aus, dass durch diese „längst fällige Bereinigung“ die Liste um gut ein Drittel kürzer wird.

Der Zürcher Gerichtsdolmetscherverband präsentiert sich unter www.vzgdu.ch.

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[Text: Richard Schneider. Quelle: NZZ, 2006-10-03.]