In einem längeren Artikel beleuchtet die Frankfurter Allgemeine Zeitung die Arbeit der Sprachendienste in der EU und stellt die in den vorgezogenen Ruhestand gehende Übersetzerin Angela Wicharz-Lindner vor, die aus dem Nähkästchen plaudert („Übersetzer und Dolmetscher – Änderungsanträge per stiller Post“, 2007-11-19).
Wir erfahren unter anderem, dass jährlich rund 3 Millionen Seiten für die Kommission, den Rat und das Parlament übersetzt werden müssen. Die Zeitung schreibt:
Im Jahr 2005 lagen die Ausgaben für Übersetzungen laut Europäischem Rechnungshof bei rund 128 Millionen Euro für das Parlament, 126 Millionen Euro für den Rat und 257 Millionen Euro für die Kommission. Im Schnitt kostet eine Seite bei der Kommission 194 Euro, beim Rat 276 Euro und beim Parlament 119 Euro. […]
Der Haushaltskontrollausschuss bezeichnet die Produktivität der Übersetzungsdienste der Europäischen Kommission jedoch als niedriger als die der privaten Übersetzer. Zudem seien die Externen rund ein Drittel günstiger. Auch dieser Kritik widerspricht Angela Wicharz-Lindner: „Unsere Arbeit besteht nicht nur aus den Übersetzungen. Es gehören unter anderem auch Revisionsarbeiten und Fortbildungen dazu.“ […]
Die Gleichberechtigung der Sprachen hält sie für sinnvoll. Weil es um kulturelle Vielfalt gehe und darum, dass sich die Bürger in ihrer Sprache informieren könnten. Auf diese Weise werde ihnen Europa nähergebracht: „Wer nichts in seiner Muttersprache erfährt, der hat noch mehr Vorurteile.“
Problematisch findet Wicharz-Lindner vielmehr den gegenteiligen Trend. Über Jahrzehnte dominierte in der Europäischen Union die französische Sprache. Doch sie wurde nicht durch die heiß diskutierte Sprachenvielfalt ersetzt, sondern durch einen Hang zum Englischen, der mit dem Einzug der Skandinavier in die Europäische Union begann […]. 55 Prozent aller Ausgangstexte, die die Übersetzer erhalten, sind mittlerweile auf Englisch abgefasst. Abgeordnete riskierten schlechtes Englisch, vermutet Wicharz-Lindner, um sich mit Weltgewandtheit zu profilieren. Die Ergebnisse lassen die Übersetzer dann oft verzweifeln. „Manchmal ist das ein reines Rätselraten“, sagt Wicharz-Lindner. Ihr wäre es lieber, ein Spanier würde sich seiner Muttersprache – dann aber korrekt – bedienen.
Die immer wieder vorgebrachte und auch in dem FAZ-Artikel anklingende Kritik an den Kosten des Muttersprachenprinzips der EU ist alt, aber wenig stichhaltig. Denn die Gesamtkosten für Dolmetscher und Übersetzer belaufen sich auf weniger als 1 Prozent des EU-Haushalts, das sind nur zwei bis drei Euro pro Einwohner und Jahr.
Richard Schneider