Arztbesuche oder Amtswege sind für die meisten Menschen eher unangenehme Erledigungen. Zu einer besonderen Hürde werden sie für Einwanderer, die weder mit der deutschen Sprache noch mit der hiesigen Kultur vertraut sind. Ein österreichweit einzigartiger Universitätslehrgang an der Karl-Franzens-Universität Graz bildet so genannte „Kommunaldolmetscher“ für den sozialen und medizinischen Bereich aus, die mit professionellem Know-how in öffentlichen Institutionen eine reibungslose Kommunikation über sprachliche und kulturelle Grenzen hinweg ermöglichen sollen. Der Lehrgang, der bereits zum zweiten Mal angeboten wird, soll im Oktober 2008 starten.
„Die Achtung der Menschenrechte, der Würde sowie der persönlichen und kulturellen Integrität von MigrantInnen scheint im Verkehr mit öffentlichen Institutionen durch den Einsatz von Laien – manchmal auch Kindern und Verwandten – gefährdet. Denn diese sind meistens nicht imstande, eine einwandfreie Kommunikation zwischen KlientInnen und Institutionen zu sichern“, erklärt O. Univ.-Prof. Dr. Erich Prunc vom Institut für Theoretische und Angewandte Translationswissenschaft der Uni Graz. Prunc hat den Lehrgang Kommunaldolmetschen 2004 ins Leben gerufen. „Die Professionalisierung dieses Bereiches ist auch angesichts der europäischen Integration dringend erforderlich, da aufgrund der Freiheit der Niederlassung die Zahl der EU-BürgerInnen, die solche Dolmetschdienste in Anspruch nehmen, stetig steigen wird“, so Prunc.
Voraussetzung für die Teilnahme am Universitätslehrgang Kommunaldolmetschen, der vom Land Steiermark gefördert wird, ist der Abschluss einer höheren Schule sowie hohe Sprachkompetenz in der deutschen und einer der folgenden Sprachen: Albanisch, Arabisch, Bosnisch, Kroatisch, Serbisch, Russisch oder Türkisch. Welche von diesen Sprachen angeboten werden können, hängt von der Zahl der Anmeldungen ab.
Die Ausbildung dauert vier Semester – 26 Semesterwochenstunden – und wird berufsbegleitend angeboten. Die Kosten belaufen sich auf 800 Euro pro Semester. Bei der Beantragung eines Stipendiums wird wenn nötig Hilfestellung geleistet.
Absolventen des Universitätslehrgangs sind berechtigt, die Bezeichnung „Akademisch geprüfte/r Fachfrau/Fachmann für Dolmetschen im kommunalen, sozialen und medizinischen Bereich“ zu führen.
Kurzbeschreibung des Lehrgangs
Der Universitätslehrgang Kommunaldolmetschen befähigt die Teilnehmer, in verschiedenen kommunalen, sozialen, medizinischen und therapeutischen Einrichtungen als Sprach- und Kulturmittler („Kommunaldolmetscher“) tätig zu sein. Die Teilnehmer erwerben die notwendigen translatorischen und kommunikativen Kompetenzen, um in verschiedenen Bereichen des sozialen und kommunalen Lebens verantwortungsvoll und professionell als Dolmetscher eingesetzt werden zu können.
Die Teilnehmer erwerben u.a. folgende Kompetenzen und Kenntnisse:
- Kenntnisse über die Grundlagen der Kommunikation, die Anforderungen der interkulturellen Kommunikation und kulturell geprägtes Verhalten.
- Kenntnisse über die Grundlagen der Translationswissenschaft (Übersetzungs- und Dolmetschwissenschaft).
- Kenntnisse über unterschiedliche Rollenanforderungen, Rollenkonflikte und berufsethische Anforderungen in verschiedenen Fachgebieten und Einsatzfeldern und Strategien zum Umgang mit Rollenkonflikten.
- Kenntnisse über verschiedene Fachgebiete und deren relevante Terminologie sowie eine adäquate Aufbereitung und Verwaltung dieser Fachterminologien.
- Kenntnisse über und situationsadäquate Anwendung der für unterschiedliche Gesprächssituationen adäquaten Dolmetschtechniken.
- Grundkenntnisse der Notizentechnik für Dolmetscher.
Ein Teil der Kursinhalte wird sprachübergreifend vermittelt, die Dolmetschübungen werden für die unterschiedlichen Sprachkombinationen sprachenpaarspezifisch angeboten.
[Text: Gudrun Pichler. Quelle: Pressemitteilung Kart-Franzens-Universität Graz, 2008-07-03.]